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Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Titel: Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
Autoren: Dawn Cook
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hat. Rasch, bevor es zu spät ist! Sie haben sich selbst verloren und müssen an ihre wahre Heimat erinnert werden.«
    »Heimat« , schluchzte sie. Ihre Heimat war jetzt so weit fort von ihr. Sie wusste, wie diese Seelen sich fühlten, allein und verloren, ohne etwas, das ihnen vertraut wäre.
    »Ich kann es nicht. Du musst es tun« , verlangte Nutzlos. »Jetzt! Sonst werden sie ihren Wahnsinn verbreiten, und Bailic wird noch im Grab den Sieg davontragen.«
    »Ich … ich versuche es.« Sie wischte sich grob die Tränen weg und richtete ihre Aufmerksamkeit fort von dem gewaltigen Strom düsterer Emotionen, der auf sie einbrandete. »Es beginnt mit einer Blüte« , sagte sie traurig und erinnerte sich an die reine Vollkommenheit ihrer Euthymienblüte. Zittrig holte sie Atem und stellte sich vor, dass sie unter dem Gestank der Zerstörung den würzigen Duft von Äpfeln und Kiefern riechen konnte. Ihre Spannung löste sich, als sie ausatmete, und der wirbelnde Ansturm von Hass verringerte sich zwar nicht, schien jedoch innezuhalten und zu lauschen. »Der Himmel« , sagte sie wehmütig, »müsste klar und voller Sterne sein« , und in ihrer Vorstellung war er das auch. Mit einem letzten leisen Schluchzen gab sie sich vollkommen ihrer Illusion hin und schloss die Augen. Sie spürte, wie Ese’ Nawoer um sie herum zögerte und zauderte.
    »Eine weiche, warme Brise aus dem Westen«, flüsterte Alissa, »streicht durch die dunklen Äste, die nicht mehr kahl sind, sondern vor Blättern und Knospen heller schimmern als der Mond. Der Wind nimmt Angst und Pein mit sich fort, so leicht, wie er den Duft der blühenden Bäume verbreitet.« Während sie sprach, spürte sie den Wind aus ihrem Geist herausströmen und wie einen grauen, mit Nebel bedeckten Fluss um ihre Füße fließen. Nun fiel es den Seelen von Ese’ Nawoer leicht, sich zu erinnern, und schließlich … begannen sie zu vergessen.
    »Sanfte Stimmen« , murmelte sie, und die Spannung schmolz weiter dahin.
    »Leise Musik« , hauchte sie, und irgendwo in der fernen, anderen Zeit konnte sie Flöten und Trommeln hören.
    »Und der Vollmond« , sprach sie seufzend, »geht über den fernen Bergen auf, während die ersten Blütenblätter herabsinken, als wären sie der Frieden und das Glück selbst.«
    Sie fühlte sich warm und behaglich, öffnete die Augen und schnappte erstaunt nach Luft. Der Vollmond war aufgegangen, genau wie in ihrem Traum, und fiel als seidiger Nebel zwischen die Bäume, deren schwarze Zweige in seinem Licht schimmerten. Aber nein, die Bäume waren nicht mehr kahl. Sie waren mit einer Schicht Weiß bedeckt. Die Bäume standen in voller Blüte! Was sie sich vorgestellt hatte, war zum Leben erwacht – mit einer Ausnahme. Der Hain war nicht nur vom Leuchten des Mondes erfüllt. Unzählige Gestalten hatten sich hier versammelt und halfen mit ihren Lichtern, die Nacht zu erhellen. Sie tanzten, spielten Musik oder ruhten auf dem Moos. Alles andere war vergessen, während sie einen längst vergangenen Abend der Ruhe und Zufriedenheit nachempfanden. Langsam begannen sie zu verblassen, und auf der Lichtung wurde es wieder dunkel.
    Schließlich blieb nur eine einsame Gestalt übrig, die einer jungen Frau. Sie hielt einen kleinen Korb in einer Hand, eine Decke in der anderen. Ängstlich blickte sie sich um, kniete sich dann plötzlich hin und ließ ihre Bündel fallen. Lächelnd breitete sie die Arme aus, um einen kleinen Jungen aufzufangen, der hinter einem Baum hervorsprang. Er war so jung, dass er noch ein wenig schwankend auf sie zurannte, und der Klang seines hellen Kicherns tanzte davon, um zwischen den sanft fallenden Blütenblättern mit sich selbst Verstecken zu spielen.
    Die Frau erhob sich mit dem Kind auf dem Arm. Der Kleine deutete drängend auf den Boden und trat sie spielerisch mit trommelnden Füßen. Mit einem lautlosen Lachen bückte sich die Frau anmutig, um ihren Korb aufzuheben. Sie küsste den Jungen auf die Stirn und wandte sich ab. Langsam gingen die beiden durch den duftenden weißen Blütenregen. Das Kind blickte über ihre Schulter zurück, lächelte Alissa an, hob zum Abschied die Hand, und seine dicken kleinen Finger öffneten und schlossen sich in einem schüchternen Winken. Und dann, ohne Fanfaren oder großes Aufsehen, waren sie verschwunden; die Stadt Ese’ Nawoer war leer.
    Einen Moment lang blieben die drei still stehen und zögerten, den Zauber der Zufriedenheit zu brechen, der schwer in der Luft lag. Es war Strell, der sich
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