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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit
Autoren: Dawn Cook
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hat er!« Seine Stimme triefte vor gespielter Überraschung. »Er hatte das Pech, Euch ans Herz zu wachsen.« Der Vogel spürte nichts von der Gefahr, zwitscherte fröhlich und musterte sie mit seinen scharfen schwarzen Augen. »Du forderst mich heraus. Ich kann dir mit Drohungen gegen dich selbst keine Angst einjagen. Also muss ich eine andere Möglichkeit finden.«
    »Bailic«, bettelte sie und trat einen Schritt näher. »Bitte, ich verspreche es. Ihr habt recht. Ich hätte meine Zunge hüten sollen. Das … das wird nicht wieder vorkommen.« Alissas Augen füllten sich mit Tränen, während sie hilflos vor ihm stand. Bailic lächelte und amüsierte sich offenbar prächtig. »Bitte …«, flehte sie und ergriff seinen Ärmel. »Ich habe verstanden. Ihr braucht das nicht zu tun.«
    »Ich weiß«, sagte er und lächelte beinahe zärtlich auf sie herab, »aber ich will es tun.«
    Sie spürte ein sachtes Zupfen in ihrem Geist, gefolgt von einem grellen Blitz und einem leisen »Popp«. Kralle schwang sich in die Luft und flog kreischend davon. Der kleine schwarz-weiße Vogel war verschwunden. Bailics Hand war leer. Nicht eine einzige Feder war zurückgeblieben.
    »Ihr seid wahnsinnig«, flüsterte Alissa. Zitternd wich sie einen Schritt zurück.
    »Wenn du so willst.« Er zuckte wegwerfend mit den Schultern. »Nächstes Mal suche ich mir ein näheres Ziel.« Seine Augen glühten, als er seinem Begehren nachgab. »Und nun zu diesem Buch …«
    Mit einem leisen Stöhnen drehte Alissa sich zu dem kreisrunden Loch um. Kralle sollte als Pfand für ihr Wohlverhalten dienen. Sie hatte geglaubt, er könne ihr nichts mehr anhaben, doch da hatte sie sich geirrt. Alissa kniete sich zitternd vor den Schacht und spähte in die Dunkelheit hinab. Der feuchte Geruch von Wasser stieg tröstlich zu ihr auf, und sie hörte, wie eine einzelne Träne in der verborgenen Tiefe landete. »Ihr hättet ihn nicht zu verbrennen brauchen«, flüsterte sie.
    Ich weiß , sagte er in ihrer Erinnerung, aber ich will es tun.
    »Das Buch?«, forderte Bailic barsch.
    Alissa kämpfte mit den Tränen, legte sich flach auf die schneebedeckte Erde und tastete mit den Fingern die rauen Steinwände ab.
    »Nun?«, drängte er.
    »Einen Augenblick.« Sie rutschte noch weiter vor und suchte nach irgendetwas, das sich nicht wie Stein anfühlte. »Ah!«, schrie sie auf, riss die Hand zurück und steckte sich die Finger in den Mund.
    »Was?«, brüllte Bailic, dessen Schatten plötzlich auf sie fiel.
    »Nichts«, murmelte sie zwischen ihren Fingern hervor. »Nur ein scharfkantiger Stein.« Doch das stimmte nicht. Es war das Buch. Alissa streckte sich erneut und strich mit dem Zeigefinger über den Rücken des Einbands. Ihre Augen schlossen sich wie von selbst, als sie die köstliche Wärme spürte, die durch ihre Finger strömte und ihren Körper erfüllte. Aus den verkohlten Überresten ihrer Pfade stieg eine leise Antwort auf. Sie öffnete die Augen.
    Bailic war vergessen, als sie ihre Pfade betrachtete. Dunkel und still, in schwachem Indigoblau, schimmerten sie in diesem Zwischenraum zwischen ihren Gedanken und der Wirklichkeit. Rein und klar stachen die Kanäle hervor, deutlicher, tiefer und stärker als zuvor. Das Blut rauschte ihr in den Adern, und ihr Atem beschleunigte sich. Sie war unbeschadet! Ihre Pfade waren verheilt!
    »Was ist denn nun! Hast du es?«, drängte Bailic, und ihr Finger rutschte ab.
    »Ich glaube, da ist es«, log sie und glitt noch weiter vor.
    »Gib es mir!«, verlangte er.
    »Hört auf, mich anzutreiben, sonst lasse ich es noch fallen«, fuhr sie auf. Dann berührten ihre Finger erneut das Buch, und sie verlor sich in der behaglichen Wärme eines Spätsommertags. »Du gehörst mir« , schwor sie stumm, und das Buch antwortete mit einer Woge von Gefühlen und nahm sie an. Sacht verebbte das Gefühl, und Alissa hing halb über dem Brunnenrand, die Finger auf weichem Leder, den Geruch von Schnee und Eis in der Nase.
    »Hast du es?«, rief Bailic.
    Seufzend zog Alissa an dem schweren Buch, und es glitt aus seinem Versteck. Steinchen und Schnee fielen in das unsichtbare Wasser unter ihr, als sie sich aufrichtete und das Buch an ihre Brust drückte. Mit großen Augen starrte sie zu Bailic auf. Die Erinnerung an die Antwort des Buches hallte in ihrem Geist wider und erfüllte sie mit einer tiefen, friedvollen Ruhe, die nicht so leicht abzuschütteln war.
    »Gib es mir«, forderte Bailic und streckte eine dünne Hand aus.
    Alissa erstarrte, und
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