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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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melancholisch verfinsterte Stirn. Sein breiter, immer wie zum Weinen verzogener Mund konnte nur lallen, dazu bewegten sich hilflos seine klapprigen, übelriechenden Hände; sein großer, spitz vorragender Adamsapfel tanzte traurig im selben Rhythmus. – An seinen Augen freilich sah man, daß er Alexanders Bruder war. Sie blickten tief und zerstreut, ihre Farbe war goldbraun, in das aber noch andere Töne spielten. Gebärdeten sein wehleidiger Mund, seine unappetitlichen Greisenhände sich noch so idiotisch, darüber hatten diese vergeßlichen Augen ihre tiefsinnige Sprache.
    In einer Kellerecke, wo es warm und schmutzig war, pflegte Arrhidaios zu hocken, die Hände um die knochigen Knie geschlungen. Warum lachte er leise? Weil die kleinen Mäuse und die fetten Ratten ihn neckten. – Hier besuchte ihn Alexander, und er blieb viele Stunden. Sie saßen und schwiegen, manchmal redeten sie, über was, erfuhr keiner. Manchmal faßten sie sich auch an beiden Händen, sie neigten die Gesichter nah zueinander. Endlich berührten sich ihre Stirnen. Nun zeigte sich, daß sie sich sogar ähnlich sahen.
    Über den Unfug, den ein paar Intriganten mit dem Namen des Arrhidaios trieben, sprach Alexander seinem Halbbruder nie, es blieb auch fraglich, ob er ihn verstanden hätte. Sogar als der Skandal um die karische Königstochter die gesamte Hofgesellschaft in zwei Lager spaltete, erwähnten die beiden in ihren stillen Dialogen nichts davon; sie hatten sich anderes mitzuteilen.
    Nach außen hin machte sich der Kronprinz freilich diese neue und derbste Taktlosigkeit seines Vaters gewaltig zunutze. Es handelte sich darum, daß der karische Monarch Pixodaros durch feierliche Gesandtschaft den Vorschlag hatte unterbreiten lassen, seine älteste Tochter mit dem erbberechtigten Kronprinz von Mazedonien zu vermählen. Philipp hatte die Gesandten sehr höflich aufgenommen, ihnen einen seiner lustigen Abende gegeben – dem beizuwohnen man den Alexander wohlweislich keineswegs aufgefordert hatte – und schließlich erklärt, die Königstochter solle den Kronprinzen haben, sein Name sei Arrhidaios, er sei hübsch, klug und energisch. Der alte Pixodaros, in die intimen Verhältnisse des mazedonischen Hofes durchaus nicht eingeweiht, sagte ja und bedankte sich noch dazu. – Alles dies erfuhr Alexander. Seine Partei inszenierte großen Skandal: nun präsentierte Philipp die mißratenen Früchte seiner ordinären Leidenschaften also schon als Thronfolger, und zwar fremden Höfen gegenüber. So weit hätte er nicht gehen dürfen; die Anhängerschaft Olympias‘ und ihres Sohnes raste. Alexander schickte auf eigene Faust Boten zum verwirrten Pixodaros: Philipp habe ihn an der Nase geführt, Arrhidaios sei nichts anderes als ein vertrotteltes Hurenkind, man habe seiner Prinzessin einen armen Bastard ins Ehebett legen wollen. Großer Wutausbruch des ehrgeizigen alten Herren, die Gesandtschaft, die er nun seinerseits losließ, hatte gepfefferte Dinge auszurichten. Die Affäre drohte außenpolitisch schlimmste Folgen zu haben; Philipp mußte, die Situation halbwegs zu retten, alle seine Diplomatie zusammennehmen. Sein vornehmster General, Parmenion mit dem treuen Katergesicht, machte sich auf, die Grüße, Geschenke und Entschuldigungen seines Herrn nach Karien zu bringen. –
    Von allen diesen unbedeutend äußerlichen Vorkommnissen redeten die Brüder nicht, wenn sie in geheimnisvoller Zwiesprache, Stirne an Stirne, im Kellerloch hockten.
    So viel Amüsement hatten die kleinen Griechen an diesem Barbarenhof sich niemals erhofft, das ging ja angeregter zu als sogar in Athen.
    Kaum fing die Affäre mit der karischen Prinzessin etwas in Vergessenheit zu geraten an, als die unbezahlbar ulkige Geschichte mit Philipp und dem Pagen Pausanias passierte. Der König nämlich ließ bei einer seiner munteren Abendunterhaltungen sich wieder einmal ganz gründlich gehen, und zwar, zur Abwechslung, nicht gegenüber einer Frauensperson, sondern indem er diesen Burschen, den niedlichen und sentimentalen Pausanias, bei offener Tafel vergewaltigte. Er tat es umständlich und in aller Form; wenngleich er schwer besoffen zu sein schien, hielt er sogar bei diesem Akt auf königliche Haltung. Mit feierlicher, allerdings schwankender Stimme befahl er dem Jungen, sich auszuziehen, sich in bequeme Position zu stellen. Der ganze Saal johlte; nur die Nächstsitzenden sahen, daß das mißbrauchte Kind vor Wut und Scham am ganzen Leib zitterte. Sein Gesicht war weiß,

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