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Alexander der Große

Titel: Alexander der Große
Autoren: Wolfgang Will
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die
Praxeis
spiegeln – jedenfalls bis zum Bruch zwischen dem Historiker und seinem König – die Vorstellungen des Kallisthenes wie auch
     die Wünsche Alexanders. Die Zahl der erhaltenen Fragmente ist allerdings zu gering, um wirklich Genaueres über die frühen
     Absichten Alexanders erfahren zu können. Was aus Kallisthenes’ Werk in andere Alexanderwerke einging, durchlief |10| zu viele Stadien der Überlieferung, um als genuines Zitat identifiziert werden zu können. 1
    Die verlorenen Historiker
    Kallisthenes war die Ausnahme; die große Reihe der Alexandermonographien entstand erst im frühen Hellenismus, nach dem Tod
     des Königs, in den Jahren zwischen 320 und 280 v. Chr. Die Verfasser waren – vielleicht mit einer Ausnahme – alle Teilnehmer
     des Zuges. So verschieden wie ihre Funktion und ihre Aufgabe waren auch ihre Erinnerungen. Es galt neben dem König auch die
     eigene Person genügend herauszustellen. Die Autoren verließen sich auf ihr Gedächtnis, das jedem etwas anderes vorgaukelte,
     sie befragten andere Teilnehmer des Zuges, namentlich die Söldner, die sich nach dem Ende des Krieges zuhauf in Alexanders
     eigener Gründung, im ägyptischen Alexandria, sammelten; sie benutzten, sofern sie ihnen zugänglich waren, die Ephemeriden,
     die Tagebücher der königlichen Kanzlei, dazu die Korrespondenz, die in den Archiven aufbewahrt worden war, die Logbücher,
     welche in der Flotte des Königs geführt wurden, die Berichte der Bematisten, der Schrittzähler, die Entfernungen und Wegzeiten
     berechneten und die Beschaffenheit des Geländes erkundeten, schließlich die im Nachlass gefundenen angeblichen Pläne des Königs,
     die sogenannten Hypomnemata. Manche besaßen dazu auch eigene Aufzeichnungen. Sie alle waren keine „gelernten“ Historiker,
     aber auch ein Thukydides war dies ja nur im Nebenberuf. So schrieben sie voneinander ab, korrigierten sich gegenseitig, stillschweigend
     oder laut, um ihre Ansicht als die wahre zu beweisen. Aber ihre Darstellungen überlebten nicht, zerfielen in Bruchstücke,
     zerstoben in geplünderte Zitate und wurden schließlich von den Geschichtswerken der römischen Zeit aufgesogen.
    Eine genaue Reihenfolge der Abfassung lässt sich nicht mehr feststellen. Vielleicht stehen am Anfang Onesikritos und Chares,
     denen Nearchos und Kleitarch folgten, während Aristobul und Ptolemaios in den ersten beiden Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts
     den Abschluss |11| bildeten. Die Autoren waren ausnahmslos Verehrer des Königs, auch wenn sie ihn in verschiedenen Rollen zeigten: als kühnen
     Eroberer, der die Grenzen des Bekannten sprengte und das Ende der bewohnten Erde erkundete, als Philosoph auf dem Königsthron
     und idealen Herrscher, als genialen Militär und Logistiker, als Entdecker einer neuen Welt. Das ist Panegyrik (Lobrede). Bekannt
     ist aus der Zeit der Anfänge nur eine einzige alexanderfeindliche Schrift. Geschrieben hat sie ein Mann namens Ephippos, wie
     Kallisthenes aus Olynth stammend. Sie befasste sich jedoch nur mit den letzten beiden Jahren Alexanders und hatte, das zeigt
     die geringe Zahl erhaltener Fragmente, kaum Nachwirkung. Wie die Alexanderkritik in die Darstellungen aus römischer Zeit einfloss,
     ist nicht leicht zu sagen. Immerhin bot Kleitarch bei allem Lob einen Ansatz, denn er hatte alles, was Effekte versprach:
     einerlei ob Massaker, Trinkgelage oder Hofintrigen. Mit seinem farbigen Alexanderbild beherrschte er die |12| Überlieferung. Er selbst hatte wohl gar nicht am Zug teilgenommen und den König erst 324/323 v. Chr. in Babylon getroffen
     und bezog seine Informationen daher vor allem von den Söldnern, die teils für Alexander, teils auch für den Perserkönig in
     den Krieg gezogen waren. Kleitarchs Fassung der Ereignisse beeindruckte die Leser am stärksten, sie war die meistverbreitete
     in hellenistischer Zeit, und in Rom wurde nur noch sie gelesen. Drei der fünf erhaltenen Darstellungen (Iustin, Diodor und
     Curtius) beruhen direkt oder durch Zwischenquellen vermittelt auf ihr. In Details und Schwerpunktsetzung durchaus unterschiedlich,
     folgten sie doch einer einzigen (eben auf Kleitarch beruhenden) Tradition und werden daher unter dem modernen Namen Vulgata
     (die allgemein Verbreitete) zusammengefasst.
    |11| Die verlorenen Historiker
    K ALLISTHENES , Die Taten Alexanders, entstanden von 334–327, FGrHist 124.
    ONESIKRITOS , Wie Alexander erzogen wurde, geschrieben zwischen 323 und 315, FGrHist 134.
    CHARES ,
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