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Aleph

Aleph

Titel: Aleph
Autoren: Paulo Coelho
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sie müsse sich keine Sorgen machen: alles werde gut laufen.
    Auf diese Weise habe ich meinen Kalender zwei Monate lang mit Reiseterminen gefüllt. Damit mache ich eine Reihe von Menschen glücklich und verursache ihnen gleichzeitig eine Menge Stress, da sie in kürzester Zeit sehr viel organisieren müssen. Meine Agentin und Freundin ist mir wieder wohlgesinnt. Auch wenn mein Meister nicht anwesend ist, weiß er bestimmt, dass ich mich jetzt auf etwas eingelassen habe, obwohl ich es damals, als er davon sprach, nicht begriffen hatte. Die Nacht ist kalt, trotzdem ziehe ich es vor, allein und zu Fuß zum Hotel zurückzukehren. Ich bin über mich selber erschrocken, aber glücklich, denn ich kann jetzt nicht mehr zurück.
    Und genau das wollte ich. Mein Glaube an den Sieg würde meinen Sieg möglich machen. Kein Leben ist vollständig ohne ein bisschen Verrücktheit. Oder mit J.s Worten: Ich musste mein eigenes Reich wiedererobern. Wenn ich begreifen könnte, was in der Welt geschieht, wäre ich imstande zu verstehen, was mit mir geschieht.
     
    ***
     
    Im Hotel erwartet mich eine Nachricht meiner Frau: Sie habe mich nicht erreichen können und bittet so schnell wie möglich um Rückruf. Ich bekomme Herzklopfen, denn sie ruft mich nur selten an, wenn ich auf Reisen bin. Ich wähle sofort ihre Nummer. Es vergeht eine Ewigkeit, während deren das Freizeichen ertönt. Endlich nimmt sie ab.
    »Veronique hat einen schlimmen Autounfall gehabt, aber sie ist nicht in Lebensgefahr«, höre ich ihre aufgeregte Stimme.
    Ich frage, ob ich Veronique jetzt erreichen kann, doch die Antwort ist, nein, sie liege noch im Krankenhaus. »Erinnerst du dich an den Seher?«
    Ja, allerdings! Er hatte auch für mich eine Prophezeiung gehabt. Wir beenden das Gespräch, und ich rufe sofort Monica auf ihrem Zimmer an. Ob zufällig auch die Türkei auf meinem Reiseplan steht, will ich von ihr wissen.
    »Erinnerst du dich nicht mehr, wem du alles zugesagt hast?«
    Nein, sage ich, und dass ich wie berauscht gewesen sei, als ich all die Einladungen annahm.
    »Aber du erinnerst dich an die Verpflichtungen, die du eingegangen bist? Du kannst immer noch absagen.«
    Ich erkläre ihr, ich sei vollkommen zufrieden mit den Absprachen und dass ich nichts ändern wolle. Es ist zu spät, um ihr die Geschichte mit dem Seher, der Vorhersage und Veroniques Unfall zu erzählen. Ich frage noch einmal nach, ob ich eine Veranstaltung in der Türkei zugesagt hätte.
    »Nein«, antwortet sie. »Die türkischen Verleger sind in einem anderen Hotel untergebracht. Andernfalls …«
    Wir lachen beide.
    Jetzt kann ich ruhig schlafen.

Die Laterne des Fremden
     
    Fast zwei Monate bin ich nun schon unterwegs - eine Art Pilgerreise. Etwas von meiner Lebensfreude ist zurückgekehrt, aber ich liege nächtelang wach und frage mich, ob sie mir nicht wieder abhandenkommt, wenn ich wieder zu Hause bin. Tue ich wirklich das Richtige, damit der chinesische Bambus wächst? Sieben Länder habe ich bereits besucht, habe meine Leser getroffen, Spaß gehabt und zeitweise sogar die Depression verscheucht, die mich zu ersticken drohte, aber mein Reich zurückerobert habe ich wohl noch nicht. Bisher unterschied sich meine Reise nur wenig von meinen früheren Reisen.
    Jetzt fehlt nur noch Russland. Und was mache ich danach? Weitere Verpflichtungen eingehen oder innehalten und die Ergebnisse begutachten?
    Ich bin noch zu keinem Schluss gekommen. Ich weiß nur, dass ein Leben, in dem es um nichts geht, ein Leben ist, von dem nichts bleiben wird. Und ich darf nicht zulassen, dass mir das passiert. Wenn nötig, werde ich den Rest des Jahres mit Reisen verbringen.
    Im Moment bin ich in Tunis, der Saal, in dem die Signierstunde abgehalten werden soll, ist rappelvoll. Es ist vorgesehen, dass zwei tunesische Intellektuelle mich vorstellen. Als wir uns vorab kurz treffen, zeigt mir der eine eine zweiminütige Ansprache; der andere hat eine mindestens halbstündige Abhandlung über meine Arbeit geschrieben.
    Der Organisator versucht ihm schonend beizubringen, dass er seinen Text unmöglich vollständig vortragen kann, da die Veranstaltung insgesamt höchstens fünfzig Minuten dauern soll. Ich stelle mir vor, wie viel Arbeit er in den Text gesteckt haben muss, aber der Organisator hat recht, ich bin nach Tunis gekommen, um meine Leser zu treffen. Nach kurzem Hin und Her sagt er seine Teilnahme ab und verlässt den Raum.
    Die Veranstaltung beginnt. Das Vorstellen und gegenseitige Danksagen nimmt nicht
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