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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer
Autoren: Peter Muenster
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er ist eben so, und mir ist er seit langem lieb, weil er in dem gleichen Wahn lebt wie ich: Er meint auch, er sei der Herr vom ganzen Spital.‘ “
    Ein Hund bereitete Schweitzer Sorgen, weil er ständig den anderen Tieren des Spitals nachstellte. Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises sprach Schweitzer dem vierbeinigen Jagdfrevler heftig ins Gewissen: „Das muss jetzt aufhören, sonst wird uns der Preis wieder aberkannt.“
    Eine bezeichnende Anekdote verdanken wir Theodor Heuss, der sie in seiner Laudatio zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an Albert Schweitzer zu Gehör brachte. Joseph Goebbels, nationalsozialistischer Propagandaminister, lud 1935 Schweitzer zu Konzerten und Vorträgen nach Deutschland ein, wohl um den Nazis die Popularität und Beliebtheit des berühmten Mannes zunutze zu machen. Er unterzeichnetedas entsprechende Schreiben nach den damaligen großprotzigen Gepflogenheiten „Mit deutschem Gruß“.
    Schweitzer, der die braune Ideologie längst angewidert durchschaut hatte, lehnte ab und unterzeichnete sein höfliches Antwortschreiben „Mit zentralafrikanischem Gruß“.
    Zu Beginn der Dreißigerjahre erbaten Pariser Presseleute von dem inzwischen weithin bekannten Urwalddoktor biografische Angaben „für alle Fälle“ (sprich: für den Fall, das Schweitzer unvorhergesehen etwas zustoßen sollte). Das Honorar für diese biografischen Details nutzte Schweitzer, um einige Freunde zu einem festlichen Souper in ein feines Pariser Restaurant einzuladen. Auf ihre neugierige Anfrage nach dem Beweggrund für diese noble Geste antwortete Schweitzer: „Hitte z’owe tüen mer min Nekrolog verfrässe“ (Heute Abend verfressen wir meinen Nekrolog).
    Und schließlich machte sich der alte Doktor sogar Gedanken über eine passende Grabinschrift, wenn er einst in Afrikas Erde ruhen sollte. Für den (freilich unwahrscheinlichen) Fall, dass er einst von den Nachfahren gabunesischer Kannibalen verspeist werden sollte, ordnete er an, die letzte Ruhestätte für seine dann noch spärlichen Überreste mit den Worten zu zieren: „Wir haben ihn gegessen, den Doktor Albert Schweitzer. Er war gut bis zu seinem Ende.“
    Es gäbe noch vieles Heiter-Anekdotisches zu erzählen und vermutlich auch noch einiges zu entdecken. Schweitzer rückt uns in diesen Geschichten menschlich noch einmal näher, und dies dürfte ganz in seinem Sinne gewesen sein: Auf dem Sockel der (Pseudo-)Heiligkeit hätte er es nicht ausgehalten.

Zur Aktualität Albert Schweitzers
    Der Tag, an dem ich dieses Kapitel zu schreiben beginne, überfällt mich mit einer Schlagzeile in der Tageszeitung: „Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind.“ Womit wir beim Thema wären. Jedes Jahr lassen ungefähr sechs Millionen Kinder ihr kaum begonnenes Leben, weil ihnen das Grundlegende und Unverzichtbare zur Erhaltung und zum Wachstum eines gesunden Körpers vorenthalten bleibt: die Nahrung. Jahr für Jahr sterben mehr Kinder an Hunger, als Berlin Einwohner hat; in einem Dutzend Jahren nähert sich die Zahl der verhungerten Kinder der Bevölkerungszahl Deutschlands. Und dabei reden wir „nur“ von der Zahl der Kinder! Jeder sechste Mensch auf diesem Planeten hat nicht genug zu essen …
    Schweitzers Aufruf zur Ehrfurcht vor dem Leben ist nicht zuerst Gegenstand akademischer Diskussionen; es ist nicht entscheidend, ob sie von Fachgelehrten befürwortet oder verworfen wird. Sie ist ein Appell, ein Appell zunächst an jeden Einzelnen: Wo kann ich Ernst machen mit dem Ehrfurchtsund Liebespostulat? Wo kann ich mit dazu beitragen, dass mehr Menschlichkeit, Liebe, Wärme, Herzlichkeit zwischen den Menschen ist? Wo kann ich helfen, Not und Leid zu lindern? Selbstverständlich ist es wichtig, dass Schweitzers Ethik auch auf theoretischer, akademischer Ebene diskutiert und analysiert wird. Aber seine Philosophie ist vor allem eine Philosophie derAufforderung. Er fordert uns auf, das „Nebenamt“ zu finden, in dem wir beitragen können zur Linderung von Leid und Not; er fordert uns auf, unseren Verstand zu gebrauchen, um das Notwendige, das Not Wendende zu tun; er fordert uns auf, das Leben heilig zu achten.
    Es gibt eine kleine Geschichte, die mehr als tausend gelehrte Worte deutlich macht, worum es Schweitzer ging. Er war mit einem Freund unterwegs. Sie trafen auf einen Bettler, der vorgab, blind zu sein. Schweitzer gab diesem Bettler ohne Zögern eine größere Geldmünze. Im Weitergehen drehte sich der Begleiter um und sah, wie
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