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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer
Autoren: Peter Muenster
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ich optimistisch.“ Das schrieb er nur wenige Zeilen weiter, und dieses „Dennoch“ klingt geradezu kraftvoll, kämpferisch, zukunftsorientiert und hoffnungsvoll. „So sehr mich das Problem des Elends in der Welt beschäftigte, so verlor ich mich doch nie in Grübeln darüber, sondern hielt mich an den Gedanken, dass es jedem von uns verliehen sei, etwas von diesem Elend zum Aufhören zu bringen. So fand ich mich nach und nach darein, dass das Einzige, was wir an jenem Problem verstehen könnten, dies sei, dass wir unseren Weg als solche, die Erlösung bringen wollen, zu gehen hätten … Als unverlierbaren Kinderglauben habe ich mir den an die Wahrheit bewahrt. Ich bin der Zuversicht, dass der aus der Wahrheit kommende Geist stärker ist als die Macht der Verhältnisse. Meiner Ansicht nach gibt es kein anderes Schicksal der Menschheit als dasjenige, das sie sich durch ihre Gesinnung selbst bereitet. Darum glaube ich nicht, dass sie den Weg des Niedergangs bis zum Ende gehen muss. Finden sich Menschen, die sich gegen denGeist der Gedankenlosigkeit auflehnen und als Persönlichkeiten lauter und tief genug sind, dass die Ideale ethischen Fortschritts als Kraft von ihnen ausgehen können, so hebt ein Wirken des Geistes an, das vermögend ist, eine neue Gesinnung in der Menschheit hervorzubringen. Weil ich auf die Kraft der Wahrheit und des Geistes vertraue, glaube ich an die Zukunft der Menschheit. Ethische Welt- und Lebensbejahung enthält optimistisches Wollen und Hoffen unverlierbar in sich. Darum fürchtet sie sich nicht davor, die trübe Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist.“
    Hier hebt sich die Spannung zwischen dem Pessimismus des Erkennens und dem Optimismus des Wollens und Hoffens auf: Schweitzer blieb nicht stehen bei seiner pessimistischen Welterkenntnis. Er vertraute auf die Kraft der Wahrheit, auf ein elementares ethisches Denken, das unter dem Begriff „Ehrfurcht vor dem Leben“ zum tragenden Fundament seiner Philosophie und seines Handelns wurde. Mögen das Elend in der Welt, die unfassbare Not und das unschuldige Leiden vieler Menschen und Tiere, die zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten unter den Völkern, das schreckliche Übel der Kriege auch noch so sehr unser pessimistisches Erkennen heraufbeschwören und begründen: Wir haben die Aufgabe und die Kraft, unser Möglichstes zu tun, um das Elend zu mindern, vom Leiden zu befreien, uns mitgeschöpflich gegenüber Menschen, Tieren und Pflanzen zu verhalten. Und je mehr Menschen sich auf diese Aufgabebesinnen, je mehr Einzelne denkend die Ehrfurcht vor allem Leben für ihr eigenes Dasein verinnerlichen, desto berechtigter ist die Hoffnung auf eine Zukunft der Menschen.
    Schweitzer hat dies getan, und er zählt durch sein geistiges und praktisches Lebenswerk völlig zu Recht zu einer der bedeutendsten Gestalten des zwanzigsten Jahrhunderts. Was an ihm am meisten beeindruckt, ist wohl die Kongruenz zwischen seinem Denken und seinem Handeln, ist die Konsequenz, mit der er seine Ethik umgesetzt hat in mitmenschliche und mitgeschöpfliche Praxis.
    Er ist kritisiert worden als Theologe und Philosoph (am umfangreichsten durch Helmut Groos mit seiner voluminösen kritischen Würdigung „Albert Schweitzer – Größe und Grenzen“). Man hat gefragt, ob er überhaupt Christ im orthodoxen Sinne gewesen sei, hat ihm vorgeworfen, durch sein Verhalten in Lambarene als Kolonialist aufgetreten zu sein. Man hat ihn wegen der hygienischen Zustände in seinem Urwaldspital angegriffen, ihn gar wegen seines engagierten Eintretens gegen den unmenschlichen atomaren Rüstungswettlauf während des Kalten Krieges als ideologischen Steigbügelhalter des Kommunismus abzustempeln versucht.
    Schweitzer selbst hat auf Kritik an seinem geistigen und praktischen Lebenswerk in der Regel nicht reagiert, sich nicht verteidigt. Er sagte einmal, solche Kritik perle an ihm ab wie das Wasser am Federkleid einer Gans.
    Gerhard Rosenkranz, ehemaliger Rektor der Universität Tübingen, berichtet, Schweitzer sei durch den Rat seines Orgellehrers Widor zu dieser Haltung gegenüber Kritikern gelangt. Dieser habe ihm gesagt: „Schweitzer, ich weiß nicht, was aus Ihnen werden wird. Aber wenn Sie in der Presse angegriffen werden, dann antworten Sie nicht.“ Schweitzer selbst meinte, er habe sich seitdem an das chinesische Sprichwort gehalten: Wer nicht fechten will, mit dem kann man nicht fechten.
    Wer seine Lebensleistung sieht, wer daran denkt, wie ausgefüllt sein Alltag war, der
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