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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer
Autoren: Peter Muenster
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hinreißend verstand, den jungen Menschen biblische Geschichten zu erzählen. Von diesem Pfarrer erhielt Albert den Spitznamen „Isaak“ (zu deutsch „der Lacher“), weil seine Mitschüler es immer wieder fertigbrachten, ihn während des Unterrichts zum störenden Kichern und Lachen zu bewegen. Mehr als einmal wurde er wegen dieser jugendlichen Unsitte durch Klassenbucheintrag getadelt. „Dabei hatte ich gar keinen heiteren Charakter, sondern war schüchtern und verschlossen.“
    In diesem frühen Alter bemerkte Albert an sich eine Eigenschaft, die ihm Angst bereitete. Er neigte zum Jähzorn, was ihm beim Kartenspiel mit der Schwester Adele bewusst wurde. „Ich nahm jedes Spiel furchtbar ernst und erzürnte mich, wenn andere nicht ebenfalls mit ganzer Hingebung spielten. Mit neun oder zehn Jahren schlug ich einst meine Schwester Adele, weil sie in einem Spiele eine lässige Gegnerin war und mir durch ihre Gleichgültigkeit einen leichten Sieg zukommen ließ. Von jener Zeit an bekam ich Angst vor meiner Spielleidenschaft und gab nach und nach alles Spielen auf. Eine Karte habe ich nie anzurühren gewagt.“ Mit gleicher Konsequenz gewöhnte er sich später als Student das Rauchen ab, als er merkte, dass es ihm zur Leidenschaft und damit gefährlich geworden war.
    Schon früh litt der junge Albert an dem vielen Elend, das er in der Welt sehen musste. Und dieses (Mit-)Leiden beschränkte sich nicht allein auf arme, kranke, benachteiligte Menschen, sondern umfasste auch den Schmerz und die Not, denen „die armen Tiere“ ausgeliefert waren. Das Bild eines alten, hinkenden Pferdes, das unter Stockschlägen nach Colmar ins Schlachthaus getrieben werden sollte, verfolgte den Jüngling wochenlang. Dieses Mitleid gegenüber dem Tier veranlasste den kleinen Albert dazu, die tierischen Mitgeschöpfe in das abendliche Gebet einzubeziehen. „Ganz unfassbar erschien mir – dies war schon ehe ich in die Schule ging –, dass ich in meinem Abendgebete nur für Menschen beten sollte. Darum, wenn meine Mutter mit mir gebetet und mir den Gutenachtkuss gegeben hatte, betete ich heimlich noch ein von mir selbst verfasstes Zusatzgebet für alle lebendigen Wesen. Es lautete: ‚Lieber Gott. Schütze und segne alles, was Odem hat, bewahre es vor allem Übel und lass es ruhig schlafen!‘ “ Dieses heimlich gesprochene Zusatzgebet mutet dem Leser wie eine frühe Ahnung dessen an, was später zum Hauptgedanken seiner Philosophie wurde: Ehrfurcht nicht nur vor dem menschlichen, sondern grundsätzlich vor allem Leben.
    Noch deutlicher wird diese frühe Ahnung in dem wohl bekanntesten und gewiss am häufigsten zitierten und besprochenen Kindheitserlebnis Schweitzers. Gemeint ist die widerwillig mit dem Schulkameraden Heinrich Bräsch geplante Vogeljagd mit selbst gebauten Stein-schleudern.Der damals wohl etwa siebenjährige Albert hatte sich von seinem Kumpan dazu überreden lassen, im nahen Rebberg diese Schleudergeräte an Vögeln auszuprobieren. Um nicht als Feigling ausgelacht zu werden, stimmte Albert diesem Vorhaben zu, nahm sich jedoch vor, absichtlich daneben zu schießen. Als sich die beiden Lausbuben nahe genug angeschlichen und die Gummischnüre schon gespannt hatten, ertönten vom Dorf her die Kirchenglocken: „Für mich war es eine Stimme aus dem Himmel. Ich tat die Schleuder weg, scheuchte die Vögel auf, dass sie wegflogen und vor der Schleuder meines Begleiters sicher waren, und floh nach Hause. Und immer wieder, wenn die Glocken der Passionszeit in Sonnenschein und kahle Bäume hinaus klingen, denke ich ergriffen und dankbar daran, wie sie mir damals das Gebot: ‚Du sollst nicht töten‘ ins Herz geläutet haben. Die Art, wie das Gebot, dass wir nicht töten und quälen sollen, an mir arbeitete, ist das große Erlebnis meiner Kindheit und Jugend. Neben ihm verblassen alle anderen.“
    Der junge Albert hatte noch andere prägende Erlebnisse mit Tieren, die ihm zeigten, wie verführbar der Mensch ist, seine Macht über die tierischen Mitgeschöpfe zu missbrauchen. Zur Familie Schweitzer gehörte eine Zeitlang ein stattlicher, gelbfarbener Hund namens Phylax, der wie so manche seiner Artgenossen eine aggressive Abneigung gegen Uniformträger hegte. Phylax hatte sichschon einmal am Dorfgendarmen versündigt und auch den Briefträger im Visier. Um weiteres Unheil zu vermeiden, wurde Albert vom Vater beauftragt, den angriffslustigen Vierbeiner im Zaum zu halten, sobald der Uniformierte sich dem Pfarrhaus näherte. „Mit
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