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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer
Autoren: Peter Muenster
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Fertigstellung des Manuskripts seiner Jugenderinnerungen mitteilte. Dieser Brief ist insofern von Bedeutung, als Schweitzer darin die pädagogische Absicht darlegte, die er mit diesem schmalen Buch verfolgte: „Nun aber schicke ich dir nicht dein überarbeitetes Manuscript, sondern etwas ganz Neues. Als ich nämlich an die Überarbeitung ging, wurde mir ein Dreifaches klar, was ich vorher nicht bedacht hatte. Erstens: dass die Angaben, die ich dir damals diktierte, nur zu einem Teil auf Kinder berechnet sind. Die Studentenjahre liegen schon jenseits des kindlichen Horizonts. Zweitens: dass so Intimes eigentlich als Selbsterzähltes auftreten muss. Drittens: dass für Kinder ein moralischer Schluss dran gehört.
    Und so bin ich müder Mensch daran gegangen, dir in einem Tag und einer Nacht etwas zusammenzuschreiben, was sich in den Erlebnissen bis zur Confirmation hält und nur darüber einen kleinen Ausblick auf die Entstehung des Missionsarztgedankens gibt und zugleich in einer Moral gipfelt.“
    Pädagogisches Wirken war Schweitzer eine Herzensangelegenheit. Schon als Vikar in Straßburg hatte er ernsthaft erwogen, sich erzieherisch um arme Waisenknaben zu kümmern. Der Plan gelangte nicht zur Verwirklichung. In etlichen seiner Briefe bekundete Schweitzersein lebhaftes Interesse an pädagogischen Fragen. Auch seine für ein breites Publikum geschriebenen Aufzeichnungen „Zwischen Wasser und Urwald“, die „Mitteilungen aus Lambarene“ und das spätere Buch „Afrikanische Geschichten“ lassen immer wieder den Pädagogen Albert Schweitzer durchscheinen. Und schließlich sind fast alle seine Predigten in pädagogischer Absicht gehalten worden. Das „Schulmeisterdenken“, so sagte er einmal von sich, lag ihm im Blut, denn immerhin hatten einige seiner direkten Vorfahren und Verwandten im Lehrerberuf gestanden.
    Schweitzers Erinnerungen an die frühen Lebensjahre sind oft zitiert und kommentiert worden. Die Bewertungen fielen durchaus unterschiedlich aus: von „einfache, im Plauderton gehaltene, harmlose Episoden aus der Jugendzeit“ bis hin zu „pädagogisches Juwel“ reicht die Palette der Urteile. Der Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse bezeichnete sie als das ihm Liebste und Schönste, was die Feder Schweitzers hervorgebracht hat, und nannte als Grund dafür die Schönheit der Sprache und die schlichte Wahrheit des Erzählten. Schweitzer selbst nannte sie in dem schon zitierten Brief an Pfister eine herrliche Einleitung zu seinem bereits veröffentlichten Erzählband „Zwischen Wasser und Urwald“.
    Die erste Erinnerung, von der Schweitzer zu erzählen wusste, war die des „Teufels“. Er erschien ihm, während er mit drei oder vier Jahren an dem sonntäglich vom Vater gehaltenen Gottesdienst teilnahm, hoch oben auf derOrgel-Empore in Gestalt eines bärtigen, zotteligen Gesichts, das in die Kirche hineinschaute. Solange die Gemeinde sang und die Orgel ertönte, war dieses furchterregende, sich hin und her bewegende Antlitz sichtbar. Sobald jedoch der Vater mit der Verkündigung von Gottes Wort begann, verschwand das Gesicht, als müsse es der Autorität des Wortes weichen. Schweitzer meinte: „Diese allsonntäglich erlebte Theologie gab den bestimmenden Ton in meiner kindlichen Frömmigkeit an.“ Erst viel später löste sich für Albert das beängstigende Geheimnis des vermeintlichen Teufels. Es war das Gesicht des Organisten und Dorflehrers Vater Iltis, das über einen an der Orgel angebrachten Spiegel in den Kirchenraum hinunterblickte, um zu sehen, wann Alberts Vater zum Altar ging oder die Kanzel betrat.
    Ebenfalls in die frühe Kindheit reicht ein Erlebnis zurück, das für den kleinen Albert Anlass war, sich zum ersten Mal mit Bewusstsein vor sich selbst zu schämen. Eine Biene hatte den kleinen Jungen gestochen, und mit seinem wehleidigen Geschrei trommelte er rasch das ganze Haus zusammen. Alle liefen in den Garten, um das jammernde Kerlchen zu trösten. Der Vater musste sich gar Vorwürfe der Mutter gefallen lassen, weil er am Bienenstock hantierte, ohne auf den Kleinen Rücksicht zu nehmen. Albert genoss die bedauernde Aufmerksamkeit, die ihm von allen Seiten zuteil wurde, und weil er ganz im Mittelpunkt des Geschehens stand, in seinem Kummer interessant geworden war, weinte er mit Genugtuungweiter, selbst als er keinen Schmerz mehr verspürte. Als ihm dies bewusst wurde, schämte er sich wegen seiner Heuchelei und kam sich dabei so schlecht vor, dass er noch tagelang darüber
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