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Alarm im Tunnel Transterra

Alarm im Tunnel Transterra

Titel: Alarm im Tunnel Transterra
Autoren: Michael Szameit
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nicht in die Kantine paßte. Die Mütze stülpte sich über einen weit ausladenden, für den schmächtigen Körper viel zu großen Schädel. Der Fremde war dürr und ausgemergelt, zerbrechlich wie chinesisches Porzellan.
    In einem Kindergesicht glänzten wie zwei große, blankgerie-bene Knöpfe die Augen, die unablässig die Gestalten der drei hochgewachsenen lärmenden Navigatoren am Nachbartisch musterten. Ein ungesunder Teint wie der einer alten Nonne, deren Haut durch die feuchte Kälte der Klostermauern zu geknittertem Wachs erstarrt ist, und spitz durch die Haut ste-chende Jochbeine gaben den Gesichtszügen des Fremden einen greisenhaften Ausdruck. Seine Hände lagen steif und reglos vor ihm auf dem Tisch, als gehörten sie nicht zu ihm. Die dünne und durchsichtige Haut war über den Fingern so straff gespannt, daß seine weißen Knöchel die Hände wie die eines Toten erscheinen ließen.
    Bei genauem Hinsehen stellte ich fest, daß seine Figur seltsam disproportioniert war: der gewaltige haarlose Kopf, die dürren Arme, die bis zu den Knien reichten, und unglaublich große Füße. Das eigenartigste aber war der winzige, vielleicht fünf Zentimeter lange lippenlose Strich unter der Stupsnase.
    Und als der Fremde den Mund öffnete, um sein Fruchtsaftge-tränk zu schlürfen, sah ich den zahnlosen Oberkiefer.
    Eine groteske Karikatur auf die Gattung Mensch! Krumm und schief, wie einem Zerrspiegel entsprungen. Die eckigen Bewegungen hatten etwas Leblos-Hölzernes. Ungelenk wie bei einer Puppe, ja wie bei einer von einem Besessenen geschaffenen Marionette. Man war unwillkürlich versucht, mit den Augen die Fäden aufzuspüren.
    Das einzige Lebendige an diesem seltsamen Menschen schienen diese lebhaften, kugelrunden Kinderaugen zu sein, in denen ab und zu ein schmerzerfüllter Ausdruck aufglomm, der mir ein unerklärbares Mitleid einflößte.
     
    Eine riesige Pranke hieb mir mit der Wucht der dazugehörenden zwei Zentner vitaler Lebensfreude fast das rechte Schulter-blatt entzwei, und der sonore Baß meines Freundes Reg riß mich aus meiner melancholischen Stimmung. „Na, Inspektor, noch immer keinen Anschluß nach AURORA gefunden?“
    Ich bewegte vorsichtig den Arm. Es knackte leise im Schultergelenk. Reg ist keinesfalls ein brutaler Klotz. Weiß der Teufel, warum die Natur diesen Ausbund an Gutmütigkeit und Friedfertigkeit mit solch titanischer Kraft ausstatten mußte!
     
    Reg kann seine physische Energie kaum bändigen und beherrscht seine Muskelpakete nicht besser als ein unerfahrener Reiter seine feurige Stute.
    Noch einmal testete ich die Funktionstüchtigkeit meines Armes, dann sagte ich mit Wärme in der Stimme: „Wenn jede deiner Begrüßungen so sanft ausfällt, werden meine stahlgrau-en Augen nie mehr durch AURORAS Einöde entzückt, und ich kann meine Gebeine, statt sie im Schoß der heimatlichen Erde zu deponieren, von den kosmischen Strahlen bleichen lassen!“
    Man darf Regs gewaltigen Kehlkopf in kleinen Räumen nicht zur Hergabe der vollen Leistung reizen, der Schalldruck verstopft einem die Ohren. Dabei kann ich über unsere Blödeleien schon gar nicht mehr lachen. Leider ist Reg aber leicht zu erheitern.
    Er reckte sein herkulisches Kreuz und sah mit einer rührenden Mischung aus Eitelkeit und schlechtem Gewissen an sich hinunter. „Bist recht verweichlicht, Schreibtischkosmonaut!
    Wir müssen mal wieder auf Ceres mit jungen Felsen spielen.
    Hab ja damals schon gesagt: Schade um den guten Pyron, jetzt versauert er bei den Papiergesichtern!“
    „Immerhin war es eine Beförderung, ich bin jetzt stellvertretender Unterinspektor und der siebzehnte Mann in der Raums icherheit!“ Ich versuchte eine schwache Rechtfertigung.
    „O Gott! Dann hast du ja noch sechzehn vor dir! Na, bis die alle weggestorben sind…“
    Ich setzte ihm eine rechte Gerade auf den Solarplexus, denn wir sind eben gute Freunde. Obwohl ich jedoch meine ganze Kraft in diesen Schlag legte und ihn mit einem eleganten Schwung aus dem Schultergürtel garnierte, stand Reg wie ein Fels und lachte nur.
    „Schlag nur, Schläge sind ein Argument der Schwäche. Euch nimmt sowieso keiner ernst. Du hast Glück, daß dich die alten Hasen noch aus deiner Sturm-und-Drang-Zeit kennen. Der Inspektor vor dir hat übrigens einen Rüffel wegen nachlässiger Wahrnehmung seiner Aufgaben eingesteckt.“
    „Ich weiß, er hat eine Konservenbüchse übersehen. Was hat das mit den alten Hasen zu tun?“
    „Alles. Sie mochten ihn nicht!“ Er
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