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Akte X

Akte X

Titel: Akte X
Autoren: Skin
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bisschen Haut aufschlitzen.«
    Er wandte sich um und ging auf die Trage zu. Mike betrachtete erneut den tätowierten Drachen und hoffte, dass sein Zimmergenosse wusste, was er tat.
     
    »Paß genau auf. Ich verspreche, es wird dir gefallen.«
    Hinter der OP-Maske aus Zellstoff biss sich Mike auf die Lippe, als Josh mit einem der Beutel mit Salzlösung spielte, der an dem Infusionsflaschenhalter über dem OP-Tisch hing. Mit einem Zischen erwachte die Infusionspumpe zum Leben. Erschrocken sah Mike zu, wie sich die Haut über der Brust des toten Mannes wie ein gewaltiger Wasserballon aufblähte.
    »Die Salzlösung löst die Haut von dem subkutanen Zellgewebe«, erklärte Josh, wobei er auf drei weitere Beutel der Lösung deutete, die am Rand des OP-Tisches bereitlagen. »Durch den Druck wird die Dermis von dem darunter liegenden Fettgewebe abgehoben. Auf diese Art läßt sie sich leichter schneiden.«
    Mike nickte, abgestoßen aber fasziniert. Nun, da die Brust des Leichnams rasiert und mit Desinfektionsmittel präpariert und die Haut durch Salzlösung aufgebläht war, sah er nicht länger menschlich aus. Die aufgeschwemmte Haut war glatt und ebenmäßig und von einer beigen Farbe, wie Mike sie außerhalb eines Bekleidungskataloges noch nie gesehen hatte. »Wird es blutig werden?«
    »Nur ein bisschen«, entgegnete Josh, während er die Hand nach dem Instrumententablett neben dem Operationstisch ausstreckte. »Bis wir ihn umdrehen. Das meiste Blut hat sich in seinem Rücken gesammelt.«
    Er nahm ein glänzendes, stählernes Instrument von dem Tablett und zeigte es Mike. Es erinnerte an einen übergroßen Käseschneider mit einer nummerierten Plakette unter der rasiermesserscharfen Klinge. »Ich werde das Dermatom auf 0,9 mm einstellen. Das Ziel lautet, ein Hautsegment zu entfernen, das beinahe durchsichtig ist.«
    Er beugte sich vor und setzte das Instrument direkt unter dem Schlüsselbein des Leichnams an. Mike war versucht, den Blick abzuwenden, doch dann biss er die Zähne zusammen. In wenigen Monaten schon würde er selbst in der Notaufnahme seinen Dienst verrichten, und er hatte gewiß schon ähnliche, wenn nicht schlimmere Dinge gesehen.
    Aufmerksam beobachtete er, wie Josh das Instrument über die Brust des Mannes führte. Ein dünnes Rinnsal dunklen, desoxydierten Blutes lief in die Abflußrinnen des Chromtisches. Die dünne Hautschicht rollte sich jenseits der scharfen Klinge auf. Als er das Ende des Brustkorbes erreicht hatte, drehte Josh das Dermatom mit einer geschickten Bewegung, um den Hautstreifen abzuschneiden. Vorsichtig hob er ihn am Rand hoch und hielt ihn Mike vor das Gesicht. Er war beinahe transparent und etwas mehr als dreißig Zentimeter lang.
    »Mach die Kühlbox auf«, sagte Josh, und Mike suchte rasch nach dem Plastikkoffer unter dem Tisch. Die weißrote, rechteckige Kühlbox trug auf beiden Seiten das Abzeichen der Feuerwehr von New York. Mike öffnete den Deckel und entdeckte einen kleinen Behälter, der mit einer bläulichen Flüssigkeit gefüllt war.
    Josh ließ den Hautstreifen in die Flüssigkeit gleiten, und Mike schloß den Deckel. In der Kühlbox würde die Haut frisch bleiben, bis sie zur Hautbank transportiert werden konnte. Dort würde sie mit antibiotischer Flüssigkeit getränkt und bei minus siebenundfünfzig Grad Celsius gelagert werden.
    Josh wandte sich wieder seiner Arbeit an der Brust des Mannes zu. Seine Schnitte waren ebenmäßig und sicher, und schon nach wenigen Minuten hatte er die Haut vom überwiegenden Teil der Brust und der Leibesmitte und von beiden Armen und Beinen entfernt. Nur um den tätowierten Drachen ließ er ein kreisförmiges Stück Haut zurück, das sich als farbenfrohe Insel von dem Hintergrund aus weiß-rosa schimmerndem subkutanen Fettgewebe abhob.
    »Hilf mir, ihn umzudrehen«, bat Josh, während er seine Hände unter den Rücken des Mannes schob. Mike trat näher, um ihm zu helfen, und gemeinsam drehten sie den Mann auf die Seite. Im Nacken des Leichnams entdeckte Mike ein kreisrundes Exanthem.
    »Josh, sieh dir das an.«
     
    Josh betrachtete den Ausschlag. Er maß etwa siebeneinhalb Zentimeter im Durchmesser und bestand aus Tausenden von winzigen roten Flecken. »Was ist damit?«
     
    »Steht davon etwas in der Akte?«
    Josh drehte den Leichnam vollständig auf den Bauch und wandte sich erneut der Hautentnahme zu. »Das ist nichts. Vielleicht ein Insektenbiss. Eine Hautabschürfung. Vielleicht haben wir ihn gekratzt, als wie ihn auf den
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