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Akte X

Akte X

Titel: Akte X
Autoren: Skin
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schüttelte aber den Kopf. Dann räusperte er sich, ehe er ein wenig undeutlich zu sprechen begann. »Ich bin nur ein bisschen benommen.«
     
    Erleichtert nickte Bernstein. »Das liegt am Morphin. Wie steht es mit der Hüfte? Haben Sie Schmerzen?«
     
    »Nur ein bisschen. Und es sticht heftig.«
    Wieder nickte Bernstein. Das Morphin dämpfte die Schmerzen bis auf ein Minimum, während das temporäre Transplantat der verbrannten Region Gelegenheit gab, weit genug zu heilen, um die endgültige Gewebeverpflanzung vorzunehmen. Das Stechen war zwar ein bisschen ungewöhnlich, aber keineswegs einzigartig.
    »Ich werde die Morphindosis ein wenig erhöhen, um die Schmerzen unter Kontrolle zu halten. Das Stechen sollte von selbst verschwinden. Nun lassen Sie mich noch einen Blick auf den Verband werfen.« Bernstein beugte sich vor und schob vorsichtig Stantons Hemd hoch, um die linke Hüfte des Mannes freizulegen. Über dem Transplantat bedeckten rechteckige Streifen Verbandsmull das Bein auf der ganzen Länge zwischen dem Knie und der Leistengegend.
    Vorsichtig hob Bernstein eine Ecke des Verbandes mit den Fingern an, die in einem Latexhandschuh steckten. Er konnte gerade noch die kleinen Stahlklammern erkennen, die das Transplantat auf der Wunde festhielten. Die Haut war gelblich-weiß und spannte sich fest über das subdermale Fettgewebe. »Das sieht sehr gut aus, Professor, wirklich gut.«
    Nun zog Bernstein das Krankenhemd wieder über den Verband. Um das Stechen musste er sich nicht sorgen, solange es nicht schlimmer wurde. Mehr Sorgen bereitete ihm etwas, das er entdeckt hatte, als er seinen schlafenden Patienten zum ersten Mal nach der Operation untersucht hatte.
    »Professor Stanton, würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihren Kopf zur Seite zu drehen?« Bernstein trat an den Kopf des Krankenhausbettes heran und starrte auf die Haut im Nacken des Patienten.
    Die kleine, kreisrunde Hautrötung direkt oberhalb der Halswirbel war noch immer da. Tausende winziger roter Punkte, zusammen nur ein paar Zentimeter im Durchmesser, sicher nichts Bedrohliches, dennoch würde er es im Auge behalten müssen.
    Schließlich trat Bernstein einen Schritt von dem Krankenhausbett zurück. »Versuchen Sie, noch ein bisschen zu schlafen. Ich werde Teri sagen, dass sie die Morphindosis erhöhen soll. In ein paar Stunden werde ich wieder nach Ihnen sehen.«
    Bernstein gab Teri Anweisungen für die Einstellung der Morphindosis und verließ das Krankenzimmer. Er zog die schwere Holztür hinter sich ins Schloß und ging einen langen Gang mit weißen Wänden und einem grauen Teppich hinunter. Am Ende des Korridors stand eine Kaffeemaschine unter einem großen Dienstplan an der Wand.
    Bei der Kaffeemaschine blieb er stehen und nahm sich einen Kunststoffbecher von dem Stapel neben der halbvollen Kanne. Während er sich den Kaffee einschenkte, fiel ihm auf, dass das Krankenhaus sogar für einen Sonntagnachmittag ungewöhnlich still wirkte. Er wusste, dass außer ihm noch drei andere Ärzte und mindestens ein Dutzend Schwestern auf der Privatstation Dienst taten, doch in diesem Augenblick war er mit seinem Kaffee, seinem Patienten und seinen Gedanken gänzlich allein.
    Er trank einen tiefen Schluck und fühlte, wie die heiße Flüssigkeit über seine Zunge rann. Der Kaffee war nicht heiß genug, Hautverbrennungen zu erzeugen oder die Voraussetzungen für spätere Thrombosen zu schaffen, aber die Temperatur reichte durchaus, seine Synapsen zu befeuern und Alarmsignale durch sein Gehirn zu jagen: Flüchte, ehe die Hitze dir Schaden zufügen kann. Nur noch ein bisschen mehr Hitze, und es bliebe keine Zeit mehr für Alarmsignale. Perry Stanton hatte den heißen Dampf vermutlich nicht einmal gespürt. Selbst jetzt hatten seine Schmerzen nichts mit dem verbrannten Bereich seines Beines zu tun, in dem es keine lebenden Nerven mehr gab. Tatsächlich verursachten die Stahlklammern, die das temporäre Transplantat hielten, den Schmerz. Aber in einigen Wochen würden sowohl die Klammern als auch die Schmerzen verschwunden sein.
    Der Professor würde das Jamaica Hospital verlassen und kaum mehr zurückbehalten als eine Narbe und die Erinnerung an einen hervorragenden plastischen Chirurgen.
    Bernstein lächelte, während er den Dienstplan über der Kaffeemaschine betrachtete. Als er in Gedanken den Rest des Nachmittags abhakte, schwand sein Lächeln sofort. Ein Lifting um vier Uhr, die Beratung zu einer Brustoperation um fünf, eine Fettabsaugung um fünf Uhr
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