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Akte Atlantis

Akte Atlantis

Titel: Akte Atlantis
Autoren: Clive Cussler
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Der Großteil der Besatzung und die Mehrzahl der Passagiere sind tot.
Gestern ist meine kleine Tochter gestorben, vor einer Stunde mein armes Weib. Wer immer unsere Leichen finden mag, möge die Direktoren der Skylar Croft Trading Company in Liverpool von unserem Geschick verständigen. Es geht zu Ende. Bald werde ich wieder mit meinem geliebten Weib und meiner Tochter vereint sein.
    Leigh Hunt.
    Kapitän der Madras
    Das in Leder gebundene Logbuch der
Madras
lag neben Kapitän Hunt auf dem Schreibtisch. Mender löste es vorsichtig von der Eisschicht, in der es an der Holzplatte festgefroren war, und steckte es in die Tasche seines schweren Mantels. Dann verließ er die Kabine und schloss die Tür.
    »Was hast du gefunden?«, fragte Roxanna.
    »Den Leichnam des Kapitäns.«
    »Es ist alles so schrecklich.«
    »Vermutlich kriegen wir noch viel Schlimmeres zu sehen.«
    Seine Worte sollten sich bewahrheiten. Sie teilten sich auf und durchsuchten eine Kajüte nach der anderen. Die Unterkünfte für die gut betuchten Passagiere befanden sich in der Heckgalerie, einem weitläufigen, nach achtern mit Fenstern versehenen Raum unmittelbar unter dem Poopdeck, der in Kabinen unterschiedlicher Größe aufgeteilt war.
    Seinerzeit buchten die Passagiere nur das Quartier, ausstatten mussten sie ihre Kabinen selbst. Sie mussten auch dafür sorgen, dass die Sofas, Betten und Sessel, die sie an Bord schaffen ließen, fest verankert waren, falls das Schiff in schwere See geriet. Wohlhabende Passagiere nahmen häufig ihre Privatmöbel mit, Sekretäre, Bücherschränke und Musikinstrumente, einschließlich Klavier und Harfe. Hier fand der Suchtrupp nahezu dreißig im Tode erstarrte Leichen. Manche saßen aufrecht, einige lagen im Bett, andere lang hingestreckt auf dem Boden.
    Alle sahen so aus, als wären sie friedlich entschlafen.
    Roxanna war ganz verstört beim Anblick der offenen Augen bei diesem oder jenem. Die farbige Iris schien förmlich zu funkeln, was durch die totenbleichen Züge noch unterstrichen wurde. Sie zuckte zusammen, als einer der Matrosen der
Paloverde
den Arm ausstreckte und einer der Frauen über die Haare strich. Knisternd brachen die gefrorenen Locken unter der Hand des Mannes ab.
    In der großen Kajüte unterhalb der eleganten Kabinen im Oberdeck sah es aus wie in einer Leichenhalle nach einer Katastrophe. Mender sah zahllose Tote, Männer zumeist, darunter viele britische Armeeoffiziere in Uniform. Weiter vorn befand sich das Zwischendeck, das ebenfalls voller steif gefrorener Leichen war, alle in den Hängematten liegend, die sie über den Schiffsvorräten und dem Gepäck aufgespannt hatten.
    Die Menschen an Bord der
Madras
waren friedlich entschlafen. Es gab keinerlei Anzeichen, die auf einen Aufruhr hindeuteten. Nichts lag durcheinander. Sämtliche Gegenstände und Besitztümer waren ordentlich verstaut. Wenn da nicht Kapitän Hunts letzte Worte gewesen wäre, hätte man meinen können, die Zeit sei einfach stehen geblieben und sie seien friedlich aus dem Leben geschieden. Was Roxanna und Mender vor sich sahen, war weder abstoßend noch schrecklich, sondern kündete lediglich von einem unfassbaren Unglück. Diese Menschen waren seit neunundsiebzig Jahren tot und von aller Welt vergessen. Selbst jene, die sich über ihr Verschwinden gewundert und um sie getrauert hatten, waren längst verstorben.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Roxanna. »Woran sind die alle gestorben?«
    »Diejenigen, die nicht verhungert sind, sind erfroren«, antwortete ihr Mann.
    »Aber sie hätten doch trotz des Eises Fische fangen können, genau wie wir, oder Pinguine erlegen und Teile des Schiffes verheizen, damit sie es warm haben.«
    »Die letzten Worte des Kapitäns deuten darauf hin, dass sein Schiff weitab vom Kurs nach Süden geriet. Meiner Meinung nach waren sie weiter von der Küste entfernt als wir, als sie vom Eis eingeschlossen wurden. Vermutlich glaubte der Kapitän, dass sie zu guter Letzt wieder freikommen würden, und hielt sich aus Angst vor einem Brandunglück an die gute alte Seemannsregel, wonach offenes Feuer an Bord verboten ist, bis es schließlich zu spät war.«
    »Und so ist einer nach dem anderen gestorben.«
    »Als dann der Frühling anbrach und das Eis schmolz, wurden sie nicht etwa von der Strömung in den Südpazifik getrieben, sondern von widrigen Winden an die Küste geworfen, wo das Wrack seither liegt.«
    »Ich glaube, Sie haben Recht, Käpt’n«, sagte Bigelow, der Erste Maat, der vom vorderen Teil
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