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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Brauchte nich mal Händchen zu halten. Die iss jleich einjeschlafen. – Doktor? Was jetzt?«
    Die letzten Worte konnte Hansen schon nicht mehr hören. Ein gewaltiger Höllenschlag schien in seinen Trommelfellen zu explodieren, ein Widerhall in seinem Schädel, ein Krachen im Raum, der Boden zitterte, die Wände schwankten.
    Der Chefarzt war aufgesprungen, als habe ihn eine unheimliche Kraft hochkatapultiert. Nach einer Sekunde totaler Lähmung erhoben sich draußen Schreie und Angstrufe. Und da war Fritz Wullemann, der ihn anstarrte und aussprach, was er selbst dachte: »Det war nich im Bau, Doktor. Det war uff 'm Platz. Und det war ooch mehr als 'ne kleene Bombe.«
    Hansen rannte zum Fenster. Die Klinik lag geschützt in ihrem Innenhof, die Scheiben waren heil geblieben, doch der Flügel klemmte.
    Er riß ihn auf.
    Rauch. Eine riesige, schwarze Rauchwolke. Und nun, überall, auf Terrassen, Dächern, Zementplatten – sonderbare klatschende und scheppernde Geräusche. Dort, noch keine zehn Meter vor der Kühlerhaube des zweiten Notarztwagens, zitterte ein großes, silberglänzendes Stück Blech auf den ölfleckigen Hof: Aluminium. Die Ränder brandgeschwärzt und verbogen.
    »Oh heiliger Jesus«, stöhnte Wullemann.
    »Raus, Fritz!«
    Sie rannten. Als sie mit den anderen den Hof erreichten, war die Luft erfüllt von dem tosenden Donnern eines Brandes, durch das aus allen Richtungen das Winseln der Polizei-Sirenen und das Klirren des Feuerwehr-Alarms drang.
    Hansen und Wullemann liefen zum Notarztwagen eins, um ihre Einsatzpositionen einzunehmen. Die Mauervorsprünge, der Hof selbst … überall Trümmer. Die anderen drei Ärzte – Walter Hechter, der junge Fred Wicke und Olaf Honolka – waren bereits beim Wagen zwei. Sie alle, wie jeder der zwanzig Pfleger und Sanitäter, kannten ihre Plätze. Es gab nichts zu sagen. Der erste Krankentransporter preschte bereits an ihnen vorbei. Auch in den beiden Großraumfahrzeugen, diesen Ungetümen auf Rädern, mobilen Kliniken, ließen die Fahrer die schweren Dieselmotoren aufdröhnen.
    »Na, los schon, Reisser«, rief Hansen, »gib endlich Gas!«
    Der Wagen bog aus dem Hof. Dort vorn brannte es. Mußte gleich neben dem Stern sein. Auf den Rollwegen, den Abstellplätzen, selbst auf geparkten Fahrzeugen und Containern lagen verschieden große Trümmer. Manche waren winzig, nur splittergroß.
    »Mann! – Um Himmelswillen, paß auf!« schrie Wullemann. Der Fahrer riß den Notarztwagen in eine gefährliche Rechtskurve. Die Reifen kreischten.
    Nun hatte es auch Hansen gesehen: Auf den verschmierten Zementplatten lag der Torso eines Menschen. Der Kopf fehlte. Arme und Beine waren abgerissen. Aus dem zerschmetterten Unterkörper floß das Blut …
    »Ach, kommen Sie doch am besten um siebzehn Uhr bei mir vorbei«, hatte Professor Wollgiebel am Telefon gesagt …
    Daß Dr. Rolf Gräfe bereits zehn Minuten vor dem Termin in Wollgiebels Vorzimmer saß, schien dem vielbeschäftigten Uni-Star der Orthopädie nichts auszumachen. Gräfe wurde sofort hereingebeten. Und warum? dachte Gräfe. Weil er ein schlechtes Gewissen hat. Was sonst? Am Anfang schien bei der Behandlung der Unfallfolgen noch alles glattzugehen, doch dann begannen die Komplikationen: Die Verschraubung der Knochenplatte löste sich bereits zum zweiten Mal, die Kallusbildung schien verzögert, das verdammte Bein fing wieder an zu schmerzen. Und er – nun, er hockte jetzt schon wieder in diesem dämlichen Chef-Zimmer und hatte die Wahl, die gerahmten Prominenten-Fotos mit Widmungen an der Wand anzustarren oder diesen beschissenen Befund, den der Herr Professor gerade mit vielen Röntgenaufnahmen am Leuchttisch vorführte.
    Gräfe betrachtete den Rücken des Professors und den schmalen, noblen, weißhaarigen Ordinarien-Schädel.
    Er ist einfach zu alt, das ist es. Ich hätte auf einem jüngeren Operateur bestehen müssen, aber dazu hatte ich ja nie die Chance.
    Professor Wollgiebel drehte sich um: »Nun kommen Sie doch hierher!«
    Und Gräfe humpelte zum Leuchttisch.
    »Sehen Sie, hier, das kriegen wir hin. Drei, vier Wochen noch, nicht länger. Ich garantier' es Ihnen.«
    »Drei, vier Wochen? Für mich ist das ziemlich unangenehm, Herr Professor.«
    »Nicht nur für Sie, lieber Kollege, nicht nur für Sie …« Wollgiebel blickte ihn halb betrübt, halb vorwurfsvoll über seine Halbbrille an. »Sind die Beschwerden denn wirklich so schwer zu ertragen, Herr Gräfe?«
    »Es sind nicht die Beschwerden. Es handelt sich um
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