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Aina - Herzorgasmus

Aina - Herzorgasmus

Titel: Aina - Herzorgasmus
Autoren: Nina Nell
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einmal gesagt, dass sie aus Bewusstsein bestand. Ohne Pole. Und dass sie einen Körper hatte, um fühlen zu können. Sich selbst, die Welt und das Leben.
    Sie stellte sich vor, wie es wohl war, keinen Körper zu haben, der dies konnte. Als Seele mit allem verbunden zu sein. Eins zu sein. Man würde keine Trennung fühlen können. Und auch keine Vereinigung, weil man mit allem Eins war. Man konnte wohl auch keine Wärme fühlen, weil man sowohl Wärme als auch Kälte war und es diesen Unterschied nicht gab. Es gabkeine Pole, die etwas trennten. Nur durch diesen Körper, dachte sie und die Trennung von allem, konnte sie sich verbinden. Sie konnte das Wasser auf ihren Fingern nur fühlen, weil sie davon getrennt war. Und das Mondlicht; sie sah auf und blickte aus dem Fenster; konnte sie es nur deshalb fühlen und sehen, weil sie es nicht war? Weil sie davon getrennt war? Aber was würde geschehen, wenn sie es anders wahrnahm? Wenn sie sich in ihrer Wahrnehmung damit verband. Sie hielt ihre Hand in den Mondstrahl und stellte sich vor, wie es war der Mondstrahl zu sein. Und sie glaubte spüren zu können, wie es sich für das Mondlicht anfühlte, ihre Haut zu berühren. Auf einmal waren sie Eins. War die Trennung also letzten Endes nur eine Illusion der Wahrnehmung? Gab es die Trennung und die Polarität gar nicht? Vielleicht war alles nur ein Spiel, in dem alle so taten, als seien sie getrennt von irgendetwas. Vielleicht gab es Licht und Schatten, Gut und Böse gar nicht. Vielleicht waren das nur Lügen, die den Menschen aufgetischt wurden, um ein System auf der Welt aufrechtzuerhalten, das jemandem nützte. Ja, dachte Aina. Vielleicht gab es gar keine Trennung und auch keine Pole. Vielleicht war alles eins. Und vielleicht konnten Pole nur deshalb existieren, weil man glaubte, dass sie existierten. Weil man sie wahrnahm. Vielleicht mussten sie einfach verschwinden, wenn man sich entschied, sie nicht mehr wahrzunehmen. Vielleicht mussten sie dann einfach gehen.
    Sie hörte ein leises Quäken und lehnte sich über das Kinderbett, in dem ihre Tochter lag. Sie hatte die Augen geöffnet und sah Aina an. Das Mondlicht schien auf ihre helle, porzellanartige Haut, als wolle es sie in eine Umarmung hüllen. Aina rollte bei diesem Anblick eine Träne über die Wange. Sie hielt ihre Hand in das Bett und berührte das kleine Händchen ihrer Tochter. Sie griff gleich zu und hielt ihre Mama ganz fest.
    »Emilia«, seufzte Aina und lehnte ihren Kopf gegen das Gitter.»Mia. Du bist der Beweis dafür, dass wir Eins sind.«
    Manchmal konnte sie die Polarität nicht verstehen. Und dann war sie ihr wieder so klar. Sie lebte in einer Welt, die von Polarität geprägt war und doch konnte sie sie auflösen. Mit nur einem Blick hinter die Fassade der Trennung. Denn in Wirklichkeit war sie nicht getrennt. Nichts war getrennt. Niemals. Es war nur eine Illusion. Ein Vorhang, der die Wirklichkeit verschleierte. Ein Spiel, das Spaß machen konnte, wenn man die Wirklichkeit sah. Und sie glaubte endlich verstanden zu haben, wie sie dieses Spiel ohne Leid spielen konnte. Ihre Faszination darüber, fühlen zu können, hatte ihr immer den Weg gezeigt. Sie musste diese Fähigkeit nur zulassen. Fühlen. Und nichts ablehnen. Nur so konnte sie den Schleier lüften und die Trennung aufheben. Vielleicht würde so auch eines Tages eine Trennung aufgehoben werden, die sie mehr schmerzte als alles Andere. Eine Trennung, die immer noch ihr Herz entzweite. Diese Hoffnung erhielt sie am Leben. Sie gab ihr Kraft. Die Kraft, ihr kleines Mädchen ganz allein großzuziehen. Die Kraft, sich niemals mit jemandem anzufreunden, weil sie niemals lange an einem Ort blieb. Und die Kraft weiterzuziehen. So oft sie konnte. Und so weit weg, wie es ging.

34
René
     
    Aina öffnete ihr Portemonnaie, um nachzusehen, ob sie noch Kleingeld hatte und hielt inne, als sie ihren Ausweis sah. Das passierte ihr nicht mehr so häufig. Doch an manchen Tagen, nach manchen Nächten fiel es ihr schwer, nicht an ihr altes Leben zu denken. Sie betrachtete ihren Namen und versuchte die aufkeimenden Gedanken mit einem tiefen Atemzug loszulassen. Sie wusste, dass sie sie nicht verdrängen durfte, denn das würde sie nur noch stärker machen. Sie in einen Schatten verwandeln, der sie verfolgte. Tag und Nacht. Doch das hatte sie hinter sich. Sie war nicht mehr die Aina von früher. Sie kämpfte nicht mehr gegen Gedanken und Gefühle. Und sie kämpfte nicht mehr gegen das Böse. Anna stand jetzt auf
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