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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Autoren: Manfred Böckl
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Antlitz neu. Mit einem Ausdruck unendlicher Zärtlichkeit in den Augen neigte es sich über sie, und dann war auch seine Stimme ganz nahe.
    Der Turniertag in Augsburg, raunte er ihr zu, weißt du noch? Als wir uns zum ersten Mal begegneten, und du warst so ängstlich, warst so verstört! Dabei hatten wir einander doch schon eine Ewigkeit lang gesucht, und weil es so war, wurden wir ein Leib und eine Seele, gleich zu Anfang, und später dann … – In Bilder verwandelten sich seine Worte; zwei Flüsse sah die Mooräugige ineinanderströmen jenseits einer binsenbestandenen Landzunge im Schwäbischen; das Fachwerk eines kleinen Hauses fügte sich zusammen zum Nest unter einer Stadtmauer. Eine Zille glitt auf mäandrischem Weg durch eine sommerliche Landschaft, im Vohburger Schloss überglühte die Leidenschaft zwei schamlose Körper; die Gesichter der Alten im Spital schienen ihren Segen dazu zu geben. Aus raschelndem Wildgras wuchs ein Ring auf und heilte eine vom Hussenkrieg geschlagene inwendige Wunde; kurz danach schon begann sich unter den streichelnden Händen des Mannes der Leib der Braut aufzuwölben. Sein Sein und ihr Sein verschmolzen im ersten atemlosen Schrei Sibyllas; dann aber gellten andere Schreie auf zu Regensburg, Straubing und Bogen. Ein Wagenzug verließ wie auf der Flucht die Residenz an der Donau; Vohburg noch einmal erreichten der Wittelsbacher und Agnes, Schenkel an Schenkel reitend und das Mädchen bei sich, der Strom jedoch wallte ihnen hinterher – und jetzt schlug etwas peitschend über der Erniedrigten im Kerker zusammen.
    Eine tödliche Kälte wischte das Antlitz weg und mit dem Antlitz die scheinbar rettenden und bergenden Erinnerungen; nichts blieb als undurchdringliche und steinschroff umgrenzte Leere. Innerhalb dieser Leere dehnte die Furcht der Verurteilten sich nun grenzenlos aus – und dann drang, bedrohlicher als am Morgen noch, das Riegelkreischen in die abgrundtiefe Verzweiflung der Vierundzwanzigjährigen hinein. Erneut, aber völlig hoffnungslos jetzt, wimmerte sie den Namen des Dunkelhaarigen; mit demselben reißenden Herzschlag waren die Henker bei ihr.
*
    Gittrig standen die ruppigen Stäbe des Karrens zwischen ihrer Panik und der Außenwelt. Das Rossstampfen, das Rumpeln und das rüde Geschrei trafen Agnes Bernauer wie eine ununterbrochen heranhagelnde Abfolge von Schlägen. Ihr Leib hatte sich eingekrümmt über den grob gehobelten Brettern und unter den lastenden Ketten; gleich einem Tier kauerte sie da, nichts anderes mehr war sie als eine rettungslos in die Enge getriebene Kreatur.
    Eine unschuldige Kreatur, die durch ein Meer von menschlichen Bestien gejagt wurde! Tausendfach auf ihrem letzten Weg sah die Mooräugige die Fratzen. Die geil geblähten Nüstern, die glotzenden, gierigen Augen, die gebleckten Gebisse. Die Hände, die sich wie Krallen nach ihr ausstreckten; die Werkzeuge, die Prügel, die Waffen, welche in ihr Fleisch zu beißen versuchten. Dazu das Brüllen, das Fluchen, die Verwünschungen, das Spotten und Keckern. Heraus aus einer einzigen gottverlassenen Lefze schien dies zu fauchen; stinkend, faulig, verdorben. Immer wieder gegen das ruppig Gittrige und die Kreatur dahinter brandeten der kollektive Hass, die wahnwitzige Unmenschlichkeit heran, während der Schinderkarren am Altwasser vorbei und dann durch die Donauauen rumpelte.
    Etwa auf halbem Weg dann zwischen dem Herzogsschloss und der Strombrücke setzte ein frösteliger Nieselregen, vermischt mit dünnen Graupeln, ein. Schlagartig hatte der Himmel sich damit noch mehr als ohnehin schon verfinstert. Schlagartig auch drängten die Bestien sich näher zusammen und noch bedrohlicher an ihr Opfer heran; der Henker auf dem Wagenbock ließ die Peitsche knallen, die Maultiere beschleunigten ihren Trott. Schneller als eben noch rückte auf diese Weise auch der Tod an die Delinquentin heran; das Wissen darum ließ Agnes Bernauer jäh zurück an den Rand der Agonie gleiten.
    Zumindest vorübergehend wurde ihr diese Gnade geschenkt, aber irgendwann bemerkte sie, wieder aufschreckend, dass der Karren zum Stehen gekommen war. Der Ort, wo ihr grausames Schicksal sich erfüllen sollte, war erreicht; er lag ganz nahe der Lände, an der die Blonde vierundzwanzig Stunden vorher als Gefangene von Deck des Schiffes gegangen war.
    Ein Rudel von Landsknechten sperrte mit gefällten Hellebarden den bohlenbelegten Steg ab. Die Henkersknechte lösten die Ketten ihres Opfers von den Gitterstäben des Wagens, zerrten
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