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Agent der Sterne

Titel: Agent der Sterne
Autoren: John Scalzi
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bei Kilometer sieben des Los Angeles Marathon zusammengeklappt war. Offensichtlich vertrat sie ihn in erster Linie aus Dankbarkeit.
    Sie war die perfekte Kandidatin.
    »Amanda«, sagte ich und deutete auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. »Bitte setzen Sie sich.«
    Sie tat es. Dann musterte ich sie auf die gleiche Weise, wie es zuvor Carl mit mir getan hatte. Das war keineswegs unfair, denn der karrieremäßige Abstand war ungefähr gleich groß.
    Amanda blickte sich um. »Nettes Büro«, sagte sie.
    Mein Büro ist ein Müllcontainer.
    »Nicht wahr?«, erwiderte ich. »Amanda, wissen Sie, warum ich Sie zu mir gerufen habe?«
    »Eigentlich nicht«, gestand Miranda ein. »Miss Escalon…« Ohne dass Amanda es sehen konnte, verdrehte Miranda die Augen; sie schien nichts für derlei Formalitäten übrig zu haben. »… sagte, es sei wichtig, ohne mir zu verraten, worum es geht.«
    Ich musterte sie noch etwas genauer. Das machte Amanda immer nervöser. Sie blickte sich um, anscheinend um sich zu vergewissern, dass ich wirklich sie und nicht irgendetwas hinter ihr betrachtete. Dann wandte sie sich wieder mir zu und kicherte verunsichert. Ihre Hände zuckten unruhig in ihrem Schoß.
    Ich blickte zu Miranda auf. »Sie halten sie für die Richtige?«
    Jetzt war Miranda damit an der Reihe, Amanda zu mustern. Ich muss zugeben, dass sie unser Opfer viel mehr einschüchterte. Amanda machte den Eindruck, als würde sie sich gleich in die Hosen machen. »Ich finde, ja«, sagte Miranda schließlich. »Zumindest ist sie besser als die anderen möglichen Kandidaten.«
    Ich hatte keine Ahnung, was Miranda damit meinte. Andererseits hatte auch sie nicht verstanden, wovon ich vorher gesprochen hatte. Offenbar hatten wir beide uns aufs Improvisieren verlegt.
    »Also gut, Amanda«, sagte ich. »Wo sind Sie zur Schule gegangen?«
    »UCLA«, sagte sie. »In Westwood«, fügte sie hinzu. Nachdem sie es gesagt hatte, konnte ich genau die Gedanken sehen, die ihr durch den Kopf gingen: Dumme Kuh! Wir sind in L. A. Natürlich weiß er, wo die Uni ist. Mein Gott, ich benehme mich wie die allerletzte Idiotin! Es kann unglaublich reizvoll sein, jemanden zu beobachten, wie er in Panik gerät.
    »Tatsächlich?«, sagte ich. »Ich selber bin ein Bruin. Wie kommen Sie mit dem Hochgeschwindigkeitsleben einer Agentin zurecht?«
    »Gut, wirklich gut«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich meine, ich habe gerade erst damit angefangen, so dass es manchmal recht hart ist. Ich glaube, schon in ein paar Monaten werde ich richtig loslegen.« Sie lächelte. Sie war noch so neu im Geschäft, dass ihr nicht klar war, dass es unter Agenten als Todsünde galt, Schwächen zuzugeben. Ich fragte mich, wie sie die Bewerbungsgespräche überstanden hatte. Gleichzeitig spürte ich, wie Miranda an meiner Seite tiefstes Mitleid verströmte. Jetzt wusste ich, warum sie Amanda vorgeschlagen hatte – sie versuchte, diese ganz offensichtlich unverdorbene junge Frau vor boshafteren Zeitgenossen zu bewahren, die sie mühelos zusammenfalten würden.
    »Nun, Amanda, ich hoffe, dass Sie schon jetzt zu einer besonderen Herausforderung bereit sind«, sagte ich. »Die Entscheidungsträger dieses Unternehmens…« – diese Phrase hatte ich schon immer als besonders dramatisch empfunden, was sich nun erneut bestätigte – »… haben mich angewiesen, ein Mentorenpilotprojekt für unsere jüngsten Agenten in die Wege zu leiten, eine Art Hilfestellung, damit sie schneller in Fahrt kommen. Ich muss allerdings noch einmal betonen, dass es sich nur um ein Pilotprojekt handelt, das Versuchscharakter hat. Um genau zu sein, unterliegt es sogar der Geheimhaltung…«
    Amanda riss tatsächlich die Augen auf. Wenn ich nur zehn Prozent weniger abgestumpft gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht in sie verliebt.
    »… was natürlich auch für Sie gelten würde. Es ist ein offiziell inoffizielles Programm. Verstanden?«
    »Sicher, Mr. Stein.«
    »Nennen Sie mich Tom«, sagte ich. »Amanda, was halten Sie von Tea Reader?«
    Sie riss die Augen sogar noch weiter auf. Jetzt hätten auch fünf Prozent weniger Abgestumpftheit gereicht.
    Zwei Stunden und zwei Latte später war das Offiziell Inoffizielle Mentorenprojekt initiiert. Unter meiner »Supervision« würde Amanda die praktische Arbeit der Repräsentation von Tea Reader, Tony Baltz und meiner sonstigen Klienten übernehmen. Während des ersten Monats sollte Amanda wöchentlich detaillierte Berichte über »unsere« Klienten abliefern, die ich lesen
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