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After Moonrise (German Edition)

After Moonrise (German Edition)

Titel: After Moonrise (German Edition)
Autoren: P.c. Cast
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Neun-Uhr-Termin ist hier, eine halbe Stunde zu früh.“
    Raef räusperte sich. „Wissen Sie, Preston, es ist wirklich verdammt schade, dass zu meiner Gabe nicht auch Hellsehen gehört, sonst hätte ich das gewusst und wäre jetzt vorbereitet.“
    „Ja, Sir, aber ich wäre dann als Ihr Sekretär wahrscheinlich arbeitslos“, entgegnete Preston mit seinem üblichen trockenen Humor.
    Raef lachte leise. „Keine Angst, irgendwer muss immer noch die Ablage machen.“
    „Mein wahrer Lebenszweck, Sir.“
    „Freut mich zu hören. Okay, geben Sie mir fünf Minuten und schicken Sie die Klientin dann rein.“
    „Natürlich, Mr Raef. Danach mache ich mich wieder an die Ablage.“
    Raef atmete langsam aus, griff nach seinem halb leeren Kaffeebecher und ging zu der langen Anrichte, die an der hinteren Wand seines geräumigen Büros stand. Er schenkte sich Kaffee nach, stand dann einfach da und starrte aus dem Fenster. Nicht dass er den herrlichen Ausblick auf die Skyline von Tulsa an diesem prächtigen Herbsttag wirklich wahrgenommen hätte. Kent Raef versuchte, diesem merkwürdigen Gefühl auf den Grund zu gehen, das schon den ganzen Morgen an ihm nagte.
    Was zum Teufel war los mit ihm? Warum versank er heute Morgen in Erinnerungen? Liebe Güte, er hasste es, an jenen Tag zurückzudenken – hasste es, sich an den verängstigten heulenden Jungen zu erinnern, der er gewesen war. Damals hatte er einfach nur ins Baseballteam kommen wollen, dazugehören wollen wie jeder andere auch. Stattdessen hatte er eine übersinnliche Gabe. Als Einziger in seiner Klasse. Norms – Menschen ohne psychische Begabung – reagierten nie gut auf Psys. Besonders nicht auf einen neun Jahre alten Psy, der die brutalen Emotionen anderer spüren konnte. Egal, wie sehr seine Eltern ihn unterstützt hatten, egal, wie cool es gewesen war, als die Spezialeinheit der Air Force ihn rekrutiert hatte, Raef hasste es, sich an jene Jahre zu erinnern. Daran, was für eine verdammte Mühe es gewesen war, zu lernen, mit der Gabe umzugehen – und mit den Reaktionen der Arschlöcher unter den Norms.
    Wie immer wurde ihm hundeelend, wenn er daran zurückdachte, wenn er die Erinnerungen noch einmal durchlebte. Heute fühlte er sich dabei auch noch zittrig und irgendwie seltsam. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er gesagt, er nahm die Gefühle von jemand anderem wahr – sanfte Gefühle wie Sehnsucht oder Verlangen, überschattet von einer schweren Melancholie.
    „Zur Hölle, Raef, reiß dich zusammen“, ermahnte er sich selbst. Schließlich wusste er es besser. Sanfte Gefühle? Er schnaubte. Seine übersinnliche Gabe funktionierte so nicht – hatte noch nie so funktioniert. Ein angepisster Idiot, der seine Wut ausließ, indem er seinen Hund trat, war das Sanfteste, was er je mit seiner Gabe wahrgenommen hatte. „Wird Zeit, dass ich mir ein Privatleben zulege“, murmelte er, als er an seinen Schreibtisch zurückging und sich setzte, gerade in dem Moment, als jemand einmal an seine Tür klopfte. „Ja, herein“, blaffte er.
    Die Tür ging auf, und Preston verkündete: „Mrs Wilcox für Sie, Mr Raef.“
    Raef stand sofort auf, als die hochgewachsene Blondine sein Büro betrat. Er streckte ihr die Hand entgegen und ließ sich nicht davon beirren, dass sie geradezu unhöflich lange zögerte, ehe sie sie schüttelte. Viele Norms mochten es nicht, von Leuten wie ihm berührt zu werden. Aber sie war zu ihm gekommen, nicht anders herum, also hatte sie sich gefälligst an seine Regeln zu halten. In seinem Team gab es keine Diskussionen über den Händedruck.
    Vielleicht hatte sie auch gezögert, weil seine Haut ihr zu dunkel war – sie sah aus wie eine dieser attraktiven Ölbaron-Ehefrauen um die fünfzig. Vermutlich war sie davon überzeugt, dass ihr eigener Haufen nicht stank und dass Gott die Menschen, deren Haut nicht alabasterweiß war, nur erschaffen hatte, weil schließlich jemand die Drecksarbeit erledigen musste.
    „Constance Wilcox“, sagte sie und ergriff seine Hand mit erstaunlich festem Druck. Er erkannte den Namen als einen, der zur High Society von Tulsa gehörte, auch wenn er sich in diesen Kreisen mit Sicherheit nicht bewegte.
    „Kent Raef. Kaffee, Mrs Wilcox?”
    Sie schüttelte knapp den Kopf. „Nein danke, Mr Raef.“
    „Gut. Bitte setzen Sie sich. “ Raef wartete, bis sie es sich auf einem der Lederstühle mit hohen Lehnen vor seinem breiten Schreibtisch bequem gemacht hatte, ehe er selbst Platz nahm. Es gefiel ihm nicht
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