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Aethermagie

Titel: Aethermagie
Autoren: Susanne Gerdom
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Freunde des Zeitlosen Ordens«, sagte der Superior mit lauter Stimme, »das Zeichen der Ewigkeit liegt vor jedem von euch auf dem Tisch. Nehmt es und gebt eure Stimmen dem Würdigsten und dem Demütigsten unter uns. Wer soll die Bürde für euch tragen?«
    Katya senkte den Blick und sah eine silberne Lemniskate vor sich auf dem Tisch liegen. Sie griff nach dem Zeichen. Es schimmerte in einem weichen Licht, als würde es vom Mond bestrahlt. Katya schloss die Finger darum und sah, wie der sanfte Glanz zwischen ihnen hervorleuchtete. Mit einer entschlossenen Bewegung neigte sie den Kopf über ihre Hand, flüsterte einen Namen und warf das Zeichen in die Luft. Die Lemniskate blieb über dem Tisch in der Luft stehen, pulsierend wie ein Glühwürmchen.
    Andere weniger kurz Entschlossene, folgten ihrem Beispiel. Zeichen um Zeichen flog empor, schwirrte über den Tisch, taumelte schmetterlingsgleich in der Luft. Als die zweiundzwanzigste und letzte der leuchtenden Lemniskaten ihren Weg nach oben antrat, schossen die anderen auseinander, und jedes fand seinen Weg zu einer der still dasitzenden Gestalten. Manche von ihnen, wie Katya, versammelten ein oder gar mehrere der Zeichen über sich, die meisten gingen leer aus, aber über einem der Anwesenden schwirrte eine Schar von leuchtenden Lemniskaten wie trunkene Leuchtkäfer.
    Der vormalige Superior neigte den Kopf. »Ich danke euch«, sagte er. »Ich nehme eure Wahl an.« Er griff erneut das Schwert, zog es mit einer festen, sicheren Bewegung durch die Luft, und die leuchtenden Zeichen stoben auseinander, verteilten sich und fielen vor den Händen der Versammelten auf den Tisch hinab.
    »Dies ist das Zeichen unseres Bundes«, sagte der neue Pater Guardianus. »In diesem Zeichen wollen wir uns treffen, an diesem Zeichen werden wir uns erkennen. Tragt es bei euch und erinnert euch an das, was es symbolisiert: die Endlosigkeit unserer großen Herrin, der Zeit!«
    Das Schwert sauste erneut durch die Luft, schimmernd wie ein Blitz, und durchstieß die Tischplatte. Im gleichen Moment erloschen alle Kerzen.
    Scharren und Rascheln, sich bewegende Silhouetten, die Versammelten verließen den Tisch. An den Wänden flammten einige Fackeln wieder auf. Der neue Pater Guardianus war verschwunden und mit ihm seine Brüder, nur noch die Laienmitglieder des Ordens waren im Raum und verließen jetzt in kleinen Gruppen das Gewölbe, um durch die gemauerten Gänge der Kanalisation wieder in ihre Häuser zurückzukehren.
    Katya schrak zusammen, denn eine Hand berührte federleicht ihren Arm. Aus einem finsteren Nebengang war eine verhüllte Gestalt so lautlos herangekommen, dass sie ihre Annäherung nicht bemerkt hatte. Der Vermummte winkte ihr, und Katya folgte dem Bruder ohne zu zögern. Er führte sie durch den Gang in eine kleine Kammer. Neben einem mit Papieren bedeckten Tisch stand der neu ernannte Pater Guardianus und musterte mit nachdenklicher Miene einen Stapel Papier. Er hatte die Kapuze von seiner Tonsur zurückgestreift und sein hageres, sorgenvolles Gesicht erhellte sich um eine Winzigkeit, als er Katyas ansichtig wurde. »Liebe Freundin«, sagte er und reichte ihr die Hand.
    »Warum hast du mich rufen lassen?«, fragte sie ruhig.
    Der neue Pater Guardianus ließ sich mit einem Seufzen hinter dem Schreibtisch nieder und lud Katya mit einer matten Handbewegung zum Sitzen ein. »Wir müssen den leeren Stuhl mit einem neuen Ratsmitglied besetzen, auch wenn mir das nicht gefällt, denn ich bin keineswegs davon überzeugt, dass mein geliebter Bruder wirklich von uns gegangen ist«, sagte er. »Aber dennoch möchte ich in diesen unruhigen, bösen Tagen keine Zeit verlieren. Du hast mir angedeutet, dass du ein Mitglied werben könntest, das für unsere gemeinsame Sache von großem Nutzen sein würde?«
    Katya nickte knapp. Sie griff mit einem gemurmelten: »Darf ich?« zum Schreibzeug, das auf dem Tisch lag, und schrieb einen Namen auf ein Blatt Papier, das sie dem Pater Guardianus zu lesen gab.
    Er las, runzelte die Stirn, las nochmals, als traute er seinen Augen nicht. »Das ist dein Ernst?«
    Katya nickte nur.
    Er atmete tief und hörbar ein, stieß die Luft wieder aus und drehte das Papier zusammen. Er hielt es an die Flamme einer Kerze und sah mit zusammengekniffenen Lippen zu, wie es zu rauchen, zu glühen und sodann zu brennen begann. Kein Wort fiel, bis das Papier ein Aschehäufchen war, das er zusammenfegte und in den kalten Kamin warf. »Ich werde über die Konsequenzen
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