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Aethermagie

Titel: Aethermagie
Autoren: Susanne Gerdom
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nach. Adelaïde mit ihren kastanienbraunen Locken und der üppigen Gestalt war eine so glänzende und eindrucksvolle Erscheinung, dass ihre Stieftochter sich neben ihr immer wie eine kleine struppige Streunerkatze fühlte. Sie wandte hastig den Blick ab und sah ihren Vater an.
    Simon Jakob Peregrin Freiherr von Mayenburg saß immer noch wie ein Ölgötze unter seinem Portrait und starrte in die Ferne. Das Bild zeigte ihn in der Blüte seiner Jugend, die nun schon gute fünfundzwanzig Jahre hinter ihm lag, und der Vergleich, selbst mit den liebenden Augen einer Tochter angestellt, fiel wenig schmeichelhaft für sein heutiges Selbst aus. Kato ertappte sich dabei, dass ihr Blick von dem Gemälde zu ihrem leibhaftigen Vater wanderte – und wieder zurück. Schöne goldblonde Locken hatte er damals gehabt und ein festes Kinn. Der kleine Schnurrbart hatte dem jungen Baron sehr wohl zu Gesicht gestanden, ebenso der kecke Blick aus strahlend eisblauen Augen und die straffe Haltung, die breiten Schultern und die schlanke, dennoch kraftvolle Gestalt – kurz, er hatte das Bild eines jungen, hoffnungsvoll in die Zukunft blickenden Offiziers abgegeben.
    Kato ließ den Blick sinken und betrachtete ihren Vater, wie er heute war, mit Liebe, aber auch mit töchterlicher Sorge.
    Das jugendliche Gold der Locken war zu einem fahlen, undefinierbaren Silberblond verblichen, und seine Stirn nahm heute weit mehr Platz ein als vor Katos Geburt. Statt des kleinen Schnurrbarts trug der Freiherr nun einen behäbigen Backenbart, genau wie Seine Majestät, der Kaiser. Die breiten Schultern waren immer noch imposant, aber ihre Linie hatte alles Straffe verloren und sich gerundet – ebenso wie die schlanke Taille des jungen Offiziers nun eine deutliche Ausbuchtung in die andere Richtung auswies. Die energische Kinnlinie, das kecke Lächeln und der klare Blick des schneidigen jungen Offiziers waren gleichermaßen verschwunden und hatten einer vagen, ein wenig verschwommenen Grundhaltung Platz gemacht.
    Kato liebte ihren Vater von Herzen, aber wenn sie ihn wie heute in einem Moment der schrecklichen, kalten Klarheit ansah als wären sie beide Fremde, dann musste sie sich eingestehen, dass er sich in keiner Hinsicht zu seinem Vorteil verändert hatte.
    Der Freiherr blinzelte langsam und senkte die Hand, mit der er die immer noch unangezündete Zigarre hielt. »Wo war ich stehen geblieben?«, murmelte er. Sein Blick verirrte sich in das Gesicht seiner Tochter. »Ah, Kato«, sagte er. »Du wolltest mich etwas fragen?« Und, ehe Kato etwas erwidern konnte, ärgerlich: »Konrad! Wo bleibt mein Cognac?«
    Kato hörte, wie die Freifrau gereizt die Luft durch ihre schöne Nase stieß. »Simon«, sagte sie tadelnd. »Du hattest mir versprochen, wenigstens bis zum Abend zu warten …«
    »Ah, bah«, machte der Freiherr und nahm den großzügig gefüllten Schwenker von dem Tablett, das der schweigsame Diener ihm vorhielt. »Heute ist ein schwerer Tag, ein sehr schwerer … Da braucht ein Mann eine geistige Stärkung. Das kannst du als Weibsperson nicht nachempfinden, liebe Ada.«
    Adelaïde murmelte leise etwas, das Kato nicht verstand. Es klang nicht sonderlich freundlich. »Setzen wir uns also zu Tisch«, sagte sie.
    Die Familie nahm am Tisch Platz und eine Weile waren alle damit beschäftigt, Butter auf zarte Teekuchen zu streichen, das Sahnekännchen herumzureichen und in der Teetasse zu rühren. Porzellan klingelte und heißer Tee dampfte, es roch nach Honig und süßem Gebäck.
    »Du wolltest etwas mit mir besprechen, Papa«, sagte Kato und nippte an ihrer Tasse.
    Der Blick des Freiherrn schwamm zu ihr. »Wollte ich das?« Das gereizte Räuspern seiner Gattin ließ ihn innehalten. Er spitzte die Lippen. »Ja, natürlich. Natürlich. Katharina, wir, also deine Frau Mutter und ich, haben in Anbetracht der unruhigen Lage in unserer lieben Kaiserstadt entschieden, dass wir dich für eine Weile an einen sicheren Ort verbringen möchten. Deine Erzieherin hat ja schon vor einigen Wochen beschlossen, uns zu verlassen, weil der Verbleib in der Stadt ihr in Anbetracht der Unruhen zu gefährlich erschien. Du siehst selbst, dass etwas geschehen muss.« Er sah sie erwartungsvoll an.
    Kato seufzte. Dieses Thema kam in regelmäßigen Abständen aufs Tapet – nämlich immer dann, wenn eine ihrer Erzieherinnen es vorzog, die Koffer zu packen und das Weite zu suchen.
    »Was also habt ihr geplant?«, fragte Kato.
    Ihre Stiefmutter räusperte sich. »Mein liebes Kind«,
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