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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
Autoren: Barbara Dribbusch
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studiert hatte. Marlene lernte einige Brocken Arabisch. Sie ist wieder Single, hat aber jetzt in ihrem Wohnzimmer eine Webcam aufgestellt und chattet derzeit über eine Dating-Plattform mit einem Großgrundbesitzer in Kanada.
    »Saxophon, Klavier– wie soll man sich da entscheiden können?« Doris ist bei der Frage angekommen, ob sie lieber Saxophon, Klavier oder Geige hört. Dabei spielt sie selbst Akkordeon. Sie kreuzt »Klavier« an, das liegt noch am nächsten. Doris beantwortet auch noch die Fragen, ob sie lieber bei offenem Fenster schläft oder nicht, und ob die Raumtemperatur höher sein muss als 21 Grad, damit sie sich wohlfühlt. Muss ja alles wissenschaftlich genau passen, damit man nicht an den falschen Mann gerät, der Klavier hasst und nur bei sperrangelweit offenem Fenster und arktischer Raumtemperatur schlafen kann.
    Bloß keine Illusionen
    Der Fragebogen geht dem Ende zu. Doris stößt einen tiefen Seufzer aus, schummelt ihre beachtliche Körpergröße bei den persönlichen Angaben sicherheitshalber noch um ein paar Zentimeter herunter und schließt den Test ab.
    »Mach dir keine Illusionen über die tollen Angebote, die jetzt angeblich haufenweise kommen«, warnt Suse Doris und leert ihre Teetasse. »Es ist ein intransparentes Prinzip.« Man kann bei manchen dieser Agenturen nur dann Kontaktanfragen beantworten, wenn man vom einfachen Mitglied zum zahlenden Mitglied konvertiert, also ein Abo zeichnet. Bei den gezeigten Profilen steht aber nicht dabei, ob es sich um zahlende oder nicht zahlende Mitglieder handelt. Wer ein angeblich passendes Profil vorgestellt bekommt, zahlt und eine Kontaktanfrage sendet, weiß also nicht, ob sein Gegenüber auch erst ein Abo zeichnen muss, um eine Antwort schicken zu dürfen. Was eine Hürde darstellt und ein mögliches Schweigen auch erklären kann.
    Wer ein interessantes Profil sieht, hat auch keine Ahnung, wie vielen anderen weiblichen Singles dieser Mann schon vorgestellt wurde.
    Doris entscheidet sich trotzdem für eine zahlende Mitgliedschaft, 120 Euro für ein Vierteljahr. Ihr Beitritt ist nun schon wieder einige Monate her: Ihr haben sich ganz wenige Jüngere, kaum Gleichaltrige, vor allem aber 60 - und sogar 70 -jährige Männer vorgestellt. Mit Karl, 63 Jahre alt und 1 , 70 Meter groß aus Werder in Brandenburg, hat sich zwar keine Liebesbeziehung, aber immerhin eine »fruchtbare Geschäftsfreundschaft« entwickelt, wie mir Doris später berichtete.
    Doris ist mit etwas geerbtem Geld in Karls Vertrieb eingestiegen, nebenberuflich. Er verkauft Handys mit extragroßen Tasten für Senioren, vertreibt Treppenlifte und nutzt Doris’ Kontakte in die Pflegebranche, um neue Kunden zu gewinnen. Jetzt träumen sie von einem gemeinsamen Dienstleistungsunternehmen, das bei alten Leuten Internetanschlüsse installiert und sie in die wichtigsten Portale für Senioren einweist. Außerdem wollen sie eine Kontaktvermittlung für die »Generation 60 plus« im Netz aufbauen, erklärte mir Doris. Man wolle das aber nicht als Partnervermittlung aufziehen, sondern »freier«.
    Im nächsten Winter wollen wir uns mal wieder treffen. Wenn Schnee liegt. Doris hat inzwischen Langlaufskier, Karl will sich welche leihen. Wir vier werden zusammen über die Felder schlurfen. Ich schlage vor, es nochmal mit der Herz-Loipe zu versuchen. In einer sehr großräumigen Version.

Auf dem Betriebsfest: Zen mit Volker
    Älterwerden im Großraumbüro, Flirten auf Betriebsfeiern– das wird mit den Jahren zu einer philosophischen Erfahrung, tiefgreifender als jahrelanges Meditieren in einem Zen-Kloster. Das Alter ist eine Maske, die uns die Umwelt aufsetzt. Dahinter sind wir fast die Gleichen, könnte man in Abwandlung eines Zitates von Simone de Beauvoir sagen. Leider werden uns von der Umwelt alle möglichen Masken übergestülpt.
    Die Frage lautet: In welcher Maske, in welcher Rolle sieht mich mein Gegenüber? Und kann ich was daran ändern? Ich blicke bereits auf ein vielfältiges Repertoire zurück, wobei ich mir die Rollen nicht immer ausgesucht habe. Sexy Girlie, Kumpel, strenge Lehrerin, Faktotum, Mutti: alles schon erlebt.
    Es fängt an mit der Rolle des »aufstrebenden Talents«, des »frischen Mädels« im Betrieb. Die Bereitwilligkeit älterer männlicher Kollegen, den Mentor zu spielen, wenn sich eine junge Begabung mit losem Mundwerk und gefälliger Optik am Horizont zeigt– das bleibt schon in Erinnerung.
    Ich weiß noch, wie ich vor 28 Jahren mein Praktikum bei einem Lokalblatt
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