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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Autoren: Michael Robotham
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Jacke. Der Post Office Tower sticht vor dem dunklen Himmel ab. Er ist einer der Punkte, an denen sich die Leute in einer Stadt orientieren können. Straßen verlieren sich in Sackgassen oder winden und wenden sich grundlos, doch der Turm erhebt sich über alle Schrulligkeiten der Stadtplanung.
    Ich mag diese Aussicht auf London. Die Stadt sieht immer noch ziemlich majestätisch aus. Erst wenn man näher kommt, erkennt man den Verfall. Andererseits könnte man das Gleiche vermutlich auch über mich sagen.
    Meine Praxis liegt in einer Pyramide aus weißen Kästen an der Great Portland Street, entworfen von einem Architekten, der sich von seiner Kindheit hat inspirieren lassen. Vom Erdgeschoss aus betrachtet, wirkt das Gebäude irgendwie unfertig, sodass ich ständig einen Kran erwarte, der noch ein paar Klötze in die Lücken hievt.
    Auf der Treppe vor dem Gebäude höre ich ein Auto hupen und drehe mich um. Ein knallroter Ferrari hält halb auf dem Bürgersteig. Der Fahrer, Dr. Fenwick Spindler, hebt eine behandschuhte Hand und winkt mir zu. Fenwick sieht aus wie ein Anwalt, ist jedoch Leiter der psychopharmakologischen Abteilung der Londoner Universitätsklinik. Nebenbei unterhält er eine Privatpraxis mit einem Behandlungszimmer direkt neben meinem.

    »Morgen, alter Junge«, ruft er mir zu, ohne sich daran zu stören, dass die Menschen die Straße betreten müssen, um seinen Wagen zu umgehen.
    »Keine Angst vor einem Knöllchen?«
    »Dafür hab ich ja das da«, meint er und zeigt auf die Arztplakette an der Windschutzscheibe. »Perfekt in medizinischen Notfällen.«
    Er eilt die Treppe hinauf und stößt die Glastür auf. »Hab dich neulich abends im Fernsehen gesehen. Ziemlich gute Show. Mich hätte da bestimmt keiner hochgekriegt.«
    »Ich bin sicher, du hättest genauso – «
    »Ich muss dir von meinem Wochenende erzählen. Ich war zur Jagd in Schottland. Ich hab ein Reh zur Strecke gebracht.«
    »Bringt man Rehe zur Strecke ?«
    »Egal.« Er winkt ab. »Hab dem Viech direkt ins linke Auge geschossen.«
    Die Empfangssekretärin öffnet mit einem Knopfdruck die Sicherheitstür und wir rufen den Fahrstuhl. Fenwick betrachtet sich in den Spiegeln und streicht ein paar Schuppen von den knubbeligen Schultern seines teuren Anzugs. Die Tatsache, dass ihm nicht mal ein maßgeschneiderter Anzug passt, sagt einiges über Fenwicks Statur.
    »Verkehrst du immer noch mit Prostituierten?«, fragt er.
    »Ich halte Vorträge.«
    » So nennt man das heutzutage?« Er stößt ein dröhnendes Lachen aus. »Und wie wirst du bezahlt?«
    Wenn ich ihm erzähle, dass ich es umsonst mache, wird er mir nicht glauben. »Ich bekomme Gutscheine, die ich später gegen Blowjobs eintauschen kann. Ich habe schon eine ganze Schublade voll.«
    Er verschluckt sich beinahe und wird knallrot. Ich muss ein Lachen unterdrücken.
    Bei all seinem Erfolg als Arzt ist Fenwick einer jener Menschen, die verzweifelt versuchen, jemand anderes zu sein. Deswegen
wirkt er am Steuer eines Sportwagens auch irgendwie lächerlich. So als würde man Bill Gates in einer Badehose oder George W. Bush im Weißen Haus sehen. Es sieht einfach verkehrt aus.
    »Wie geht’s mit der Du-weißt-schon?«
    »Gut.«
    »Mir ist es noch kein bisschen aufgefallen, alter Junge. Ich glaube, Pfizer arbeitet an einem neuen Medikamenten-Cocktail. Schau irgendwann mal vorbei, dann gebe ich dir die Forschungsberichte …«
    Fenwicks Kontakte zur Pharmaindustrie sind bekannt. Seine Praxis ist eine Gedenkstätte für Pfizer, Novatis und Hoffmann-La Roche; praktisch jedes Detail ein Geschenk, von den Füllfederhaltern bis zur Espressomaschine. Das Gleiche gilt für sein gesellschaftliches Leben – Segeln in Cowes, Lachsfischen in Schottland und Gänsejagd in Northcumberland.
    Wir biegen um die Ecke, und Fenwick wirft einen Blick in meine Praxis. Im Wartezimmer sitzt eine Frau mittleren Alters, die sich an eine orangefarbene, torpedoförmige Rettungsboje klammert.
    »Ich weiß nicht, wie du das schaffst, alter Junge«, murmelt Fenwick.
    »Was?«
    »Ihnen zuzuhören .«
    »So finde ich heraus, was ihr Problem ist.«
    »Wozu die Mühe? Spendier ihr ein paar Anti-Depressiva und schick sie nach Hause.«
    Fenwick glaubt nicht, dass Geisteskrankheiten psychologische oder gesellschaftliche Aspekte haben. Er behauptet, es wäre ein rein biologisches Problem und daher per definitionem medikamentös behandelbar. Alles nur eine Frage der richtigen Mischung.
    Jeden Morgen (nachmittags arbeitet er nicht)
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