Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adler schießen nicht

Adler schießen nicht

Titel: Adler schießen nicht
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
schon«,
fauchte ich ihn an. Und zu Tess: »Hast du die Luger noch ?«
    »Ja«, antwortete sie und gab
sie mir.
    »Danke .«
    Ich stand auf und holte mir
mein Hemd. Meine Smokingjacke und die Schuhe waren
noch naß . Als erstes machte ich Bestandsaufnahme. Es
stellte sich heraus, daß ich ungefähr vierhundert Hongkong-Dollar hatte, mehr
als genug, um einen Dschunkenkapitän zu bestechen.
    Die Dschunke war inzwischen
näher gekommen.
    »Mir läuft bei ihrem bloßen
Anblick das Wasser im Mund zusammen«, murmelte Tess. »Sie erinnert mich an ein
heißes, langes Bad, an saubere Kleider, eine anständige Mahlzeit, einen Drink
und...«
    »Hör auf«, unterbrach ich sie.
»Sag das letzte nicht auch noch. Ich bin schüchtern, es macht mich verlegen .«
    »Das einzige, was dich je
verlegen macht, ist eine Kugel im Kopf«, stellte Tess richtig. »Aber eines
Tages könnte ich dich wirklich in Verlegenheit bringen .«
    »Du suchst dir für deine
Liebesschwüre auch die unpassendsten Momente aus«, schimpfte ich. »Im
Augenblick erinnerst du mich an einen Sandhaufen, mit dem der Bulldozer gerade
fertig ist .«
    »Du bist völlig
schiefgewickelt, Kane«, zischte sie. »Und wenn du einen Spiegel zur Hand
hättest, könntest du es sehen .« Für hundertfünfzig
Dollar war der Dschunkenkapitän nur zu glücklich, uns
nach Hongkong zu bringen. Noch fünfzig mehr, und er hätte seiner
Schwiegermutter die Gurgel durchgeschnitten. Sie war übrigens bei ihm auf der
Dschunke, und nicht nur sie, sondern auch seine Frau, vier Kinder, sein Bruder,
dessen Frau mit zwei Kindern und drei Vettern vom Lande. Mit an Bord wohnten
außerdem ein halbes Dutzend magerer Hühner und zwei apathische Schweine. Es war
wirklich gemütlich.
    Ich sah Tess die Nase rümpfen, als
die Dschunke auf hundert Meter heran war. Als wir an Bord gingen, hatte sich
ihr Gesicht in eine Horrormaske verwandelt. Es war mir entfallen, daß eine
Durchschnittsdschunke ungefähr zwei Knoten segelt, und das nur, wenn der Wind
günstig steht.
    Die Schneckenreise nach
Hongkong brachte mich beinahe um den Verstand. Wir hatten keine Zigaretten
mehr, und von sämtlichen Dschunkenbewohnern besaß
kein einziger einen Krümel Tabak. Gegen Mittag gaben sie uns etwas Reis und
später Tee. Das half ein bißchen.
    Abends um sechs Uhr erreichten
wir Aberdeen. Als wir den Fuß an Land setzten, war mir, als müsse ich zu Boden
sinken und die Erde küssen. Ich beherrschte mich jedoch, denn als ich Tess von
der Seite ansah, fiel mir ein, daß es hübschere Dinge zum Küssen gab. Wir
trotteten die Werft entlang, als ich mein Auto entdeckte, und zwar an derselben
Stelle, wo ich es in der vorangegangenen Nacht gelassen hatte.
    »Die Schlüssel«, flehte ich,
»Was hast du mit den Wagenschlüsseln gemacht, Charlie ?«
    »Hinter der Sonnenblende,
Boss«, erwiderte er glücklich.
    »Junge, du bist und bleibst ein
Genie«, rief ich begeistert. »Also fahren wir. Miss Tess und ich werden auf dem
Rücksitz in Luxus schwelgen .«
    »Klar, Boss«, nickte Charlie,
»ganze klare Sache .«
    Mit einer galanten Verbeugung
öffnete ich den hinteren Schlag. »Nach Ihnen, Madame.«
    »Vielen Dank«, antwortete Tess
geziert.
    »Weshalb setzen Sie sich nicht
zu mir ?« schnarrte eine vertraute, verhaßte Stimme aus dem Wageninneren.
    Ich wußte, daß mir in diesem
Augenblick nur Subinspektor Cross fehlte, um mich für etwa 99 Jahre hinter
Gitter zu bringen.
    Und da saß er und erwartete
mich.
     
     
     

12
     
    Tess seufzte aus tiefster Seele
und stieg ein. Ich machte es ihr nach, knallte die Tür hinter mir zu und ließ
mich ins Polster fallen.
    Charlie zwängte sich hinters
Steuer und drehte sich fragend um, mit hervorquellenden Augen.
    »Nach Hause, Charlie«, sagte
ich schwach.
    »Polizeipräsidium«, korrigierte
Cross.
    »Nach Hause«, wiederholte ich
strikt.
    »Polizeipräsidium !« schnarrte Cross. »Streiten wir uns nicht, Kane. Ich kann
es erzwingen .«
    »Fahr schon immer los,
Charlie«, sagte ich. »Über unser Ziel einigen wir uns später .« Und hoffnungsfroh zu Cross: »Haben Sie eine Zigarette ?«
    Er zögerte nur kurz, dann holte
er ein Päckchen heraus. Dankbar steckte ich mir eine Zigarette in den Mund.
»Feuer?« Cross zog hörbar den Atem ein, brachte aber Streichhölzer zum
Vorschein. Ich zündete mir die Zigarette an und sank zurück in die Polster. Genüßlich zog ich den Rauch ein.
    »An Ihrer Stelle würde ich mir
die Gegend noch einmal genau ansehen, Kane«, riet mir Cross.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher