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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale
Autoren: Christian Foersch
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schlummerndes Paradies.«
    Sie hatte scharf gebremst. Vor einem Hotel namens »Lucrezia Borgia«. »Glauben Sie nicht, was Sie über die Borgia lesen. Sie war keine egomanische Giftmörderin und Männerfresserin. Stellen Sie sich mal vor, Sie würden als Tochter eines Papstes geborenwerden, der Sie vergewaltigt und mit zwölf an einen reichen Sack verschachert.«
    »Hat Di Natale Familie?«, fragte Lunau.
    »Wieso?«
    »Ich würde gerne eine Kleinigkeit mitbringen«, sagte Lunau, aber eigentlich wollte er wissen, worauf sein Gehör sich einzustellen hatte.
    »Eine Frau und zwei Kinder.«
    »Mädchen oder Jungen?«
    »Ein Mädchen und ein Junge.«
    »Wie alt?«
    Sie zuckte mit den Schultern und streckte ihren Arm zur Seite. Sie hielt die Hand auf einen Meter Höhe. »Ich hole Sie dann um acht Uhr ab.«
    Ehe Lunau etwas erwidern konnte, war sie davongefahren. Er checkte im Hotel ein und folgte dem Pagen, der die beiden Koffer aufs Zimmer trug. Lunau gab ihm ein Trinkgeld und ließ sich auf das Doppelbett fallen. Von der Gasse drang gedämpft das Geklöne einiger Halbstarker herein. Ein paar Straßen weiter das gleichmäßige Rauschen von Pneus und das Brummen der Motoren, offensichtlich eine Hauptverkehrsader. Die Verbundglasfenster waren neu und effizient. Im Zimmer selbst waren nur die Minibar zu hören und die Bettfedern, die ächzten, wenn Lunau seine Stellung veränderte.
5
    Amanda hatte eine Art Abendkleid angelegt, das sie vermutlich selbst geschneidert hatte. Es war aus bunten, eng anliegenden Stoffteilen, zwischen denen großzügige Risse klafften. Darunter trug sie einen schlichten cremefarbenen Body.
    Sie fuhr durch die Gassen der Innenstadt, überquerte einen Seitenarm des Po und bog in eine Straße, die parallel zum Wasser verlief. Sie fuhr mit einer Geschwindigkeit, die Lunau aufbrachte.
    »Haben Sie wirklich Lust auf dieses Abendessen?«, fragte er.
    »Ich kann bestimmt etwas lernen. Wenn schon nicht von Di Natale, dann von Ihnen.«
    Di Natales Haus stand in einer Reihe mit geduckten, etwas muffig wirkenden Fischerhäusern. Der Gehsteig war finster, die gelblichen Straßenlaternen drangen kaum durch den Dunst, der aus dem Po di Volano stieg, an den Hauswänden hochzog, über die Dächer waberte und die Gassen wie mit Flüssigstickstoff füllte.
    Als sich die Tür öffnete und Di Natale ins Haus rief, der Besuch sei da, wusste Lunau, dass er einen großen Fehler gemacht hatte. Gute Laune, festliche Stimmung und das, was südländische Temperamente für ein normales Familienleben halten, hatten sich zu einem infernalischen Cocktail vermengt, gegen den auch seine individuell gegossenen, achthundert Euro teuren Ohrplugs wenig ausrichten konnten.
    Di Natale hatte Pausbacken, listig funkelnde Augen und Kraushaar. Seine Kinder sprangen ihm in den Rücken, rutschten an ihm ab und klammerten sich an seine Beine. Di Natale schwankte, johlte, tat, als würde er der Länge nach hinschlagen und fing sich dann im letzten Moment an einer Kommode ab, wobei mehrere Telefonbücher und kleinere Plastikgegenstände auf den Boden prasselten.
    »Ich habe eine Kollegin mitgebracht, ich hoffe, das ist okay«, sagte Lunau.
    »Natürlich.«
    Di Natale betrachtete einen Moment lang Amanda, ein bisschen länger als nötig , er gab ihr zwei Küsse auf die Wange und reichte dann Lunau die Hand. Dieser begrüßte Sara, einenschwarzen Lockenkopf mit riesigen türkisfarbenen Augen, dann den Jungen, der hager und blass war, aber athletisch wirkte. Die Kinder dankten artig für die Geschenke und rannten jubelnd in die Küche. Die Frau rief einen Gruß heraus, die Ofenluke krachte, Frau Di Natale stieß einen spitzen Schrei aus, um ein kleines Malheur mit dem Braten zu kommentieren, dann trat sie in den Flur. Sie schaute verblüfft auf Lunau und seine Begleiterin.
    »Bist du nicht Amanda?«, fragte sie. Amanda senkte den Blick und schaute Silvia dann fast herausfordernd an.
    »Ja, schon.«
    »Wann war das?«
    »Ist schon einige Jahre her«, sagte Amanda.
    »So lange auch wieder nicht. Historisches Präsens?«
    »Silvia unterrichtet Sprachen«, sagte Di Natale. »Ich dachte, Sie wären auch aus Berlin.«
    »Leider nicht. Ich bin waschechte Ferrareserin«, sagte Amanda.
    Lunau überreichte Frau Di Natale den Blumenstrauß. Sie vergrub ihr Gesicht darin und hob dann den Kopf. Silvia, so hieß Frau Di Natale, war ein süditalienischer Typ, hatte die gleichen Locken, die gleichen türkisfarbenen Augen und vollen Lippen wie ihre Tochter. Aber
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