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Ach du lieber Schwesternschreck!

Ach du lieber Schwesternschreck!

Titel: Ach du lieber Schwesternschreck!
Autoren: Elisabeth Zöller
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schreibe es auf rosa Seiten. Die klebe ich ein. Auf rosa Seiten kommt alles, was mit Liebe zu tun hat.
    Hoffentlich muss ich nicht bald schwarze Seiten nehmen, Trauerseiten. Schwarz und Rosa, Liebe und Trauer. Das alles liegt sehr nah beieinander. Das hab ich schon gemerkt.
    Ich nehme mein Kussheft heraus. Darin haben Flo und ich Küssen geübt mit Mamas Lippenstift. Ich drehe es um und schreibe auf die Rückseite: »Liebesheft«. Das passt ganz gut zusammen: Liebe und Küssen.
    Das Erste, was ich in mein Liebesheft schreibe: »Es ist ganz schön kompliziert, einen Liebesbrief zu schreiben. Auf jeden Fall den ersten. Weil jeder da die Angst hat, dass der andere ihn nicht mag. Und weil man dann den oder die, an die man immerzu gedacht hat, verliert. Für immer. Und trotzdem. Trotzdem ist es besser, von den Gefühlen zu reden, auch, wenn man vielleicht ausgelacht wird.«
    Und in mein Tagebuch schreibe ich: »Das Leben ist manchmal ganz schön gestreift: schwarz und weiß. Eigentlich ist Liebe ja was sehr Schönes, aber wenn man sie nicht rüberbringt, kann sie einen ganz dunkel und traurig machen.« Und dahinter schreibe ich: »P S: Morgen geh ich vielleicht zur Stadtbücherei und hole mir Liebesromane. Liebe ist ganz schön spannend.«
    Aber wahrscheinlich geben die mir die Liebesromane wieder mal nicht. Alles, was wirklich spannend und interessant ist, ist nur für Erwachsene. Nur das, was mindestens schon hundertfach erprobt und dabei natürlich völlig abgelutscht ist, das ist was für Kinder und das dürfen dann alle ab fünf mitnehmen.
    Ich finde, Erwachsene nehmen Kinder oft nicht richtig ernst. Vor allem nicht ihre total starken Gefühle. Vielleicht weil sie selbst sich nichts Starkes erlauben. Das hab ich übrigens von Toto. »Gefühlszwerge« hat der zu Erwachsenen gesagt.
    Bevor ich schlafe, muss ich noch meine Würmer füttern. Die sind in meiner Wurmkiste, und die ist natürlich völlig geheim. Ich habe sie in meinen Bettkasten eingebaut, oben Löcher reingemacht, mit Erde gefüllt und vierzehn Würmer eingefüllt. Weil noch Winter ist, fütter ich sie mit Blättern von Mamas Zimmerlinde. Die werden zerschnipselt und in die Erde gehoben mit einem großen Löffel. Ich will herauskriegen, ob das wirklich stimmt, was
    Flo gesagt hat, dass Würmer sich rasend schnell vermehren. Dann müsste ich nämlich bis zum Frühjahr meinen ganzen Bettkasten voller Würmer haben. Damit würde ich dann am Anglerufer einen Stand eröffnen und sie für fünf Cent das Stück verkaufen.
     
    Offene Fragen, die noch bleiben:
     
    1. Wie kommen neue Blätter an Mamas Zimmerlinde? Sie jammert schon. Aber ich habe gesagt: »Jeder Baum hat mal einen Herbst.«
    »Stimmt«, hat sie gesagt, »aber im Herbst verschwinden die Blätter nicht einfach, sondern fallen ab.«
    Ob Mama etwas merkt?
    2. Fressen Würmer Tagebücher, die hinter Bettkästen versteckt sind?
    3. Leben meine Würmer eigentlich noch?
     
    Morgen will ich das alles nachgucken und überlegen. Für heute habe ich genug gedacht.
     

ZWEI BRIEFE
    FÜR VIOLA
     
    Am nächsten Morgen läutet um halb sieben das Telefon. Ein völlig aufgelöster Flo ist dran.
    »Das geht nicht, das mit dem Brief«, stößt er hervor. »Du musst mir helfen. Der Brief darf nicht bei ihr ankommen. Wir müssen den Brief wieder zurückbekommen und dann einen anderen Weg finden.«
    Die Sätze kommen bei mir genauso hektisch an, wie Flo sie ausspricht.
    »Du musst mir helfen, bitte.«
    »Aber wie?«, frage ich.
    »Sieben Uhr Peters Busch«, sagt Flo. Das ist die Straße, wo wir uns immer treffen.
    »Okay«, sage ich, schaue auf die Uhr, lege den Hörer auf, renne in mein Zimmer und ziehe mich an.
    »Warum hast du’s so eilig?«, fragt Mama.
    »Streng geheim«, sage ich, »eine Hilfsaktion.«
    Das ist unser Stichwort. Mamas und meins. Mama nervt nämlich oft mit ihrer Fragerei bis in die dunkelsten Ecken des Innern. Sagt Toto auch immer. »Seelenmassage« nennt Toto das. Ich hab Mama gesagt, dass ich diese Seelenmassage und diese elende Fragerei nicht mag. »Hilfsaktion« ist das Stichwort, bei dem sie aufhört zu fragen.
    Mama schweigt also. Ich springe in die Hosen, angel Hefte und Bücher aus meinem Bücherregal, knöpfe das Hemd mit der einen Hand zu, kämme mich mit der anderen, schlürfe einen halben Becher Kakao in mich hinein, klappe ein Brot zusammen, nehme die Tasche, zieh meine Jacke vom Haken und grüße zum Abschied. Nur Mama ist da, die andern sind noch in ihren Zimmern. An meinen
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