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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie
Autoren: Hans-Peter Nolting
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in einem kurzen Überblick, mit welcher Brille bedeutsame theoretische Richtungen die psychologische Weltkarte betrachten.

4. Grundaspekte menschlichen Verhaltens
    Gibt es Gesichtspunkte, die immer oder fast immer relevant sind, wenn man das Verhalten von Menschen erklären will? Ja, die gibt es.
    4.1 Ausgangsbeispiele: Wortmeldung und ein Ehestreit
    Anhand des ersten Beispiels möchte ich die Grundaspekte und die Art ihres Zueinanders vorstellen. An dem zweiten Beispiel, dem Ehestreit, können Sie dann erproben, wie sich diese Aspekte übertragen lassen.
    Erstes Beispiel: Sich zu Wort melden
    Das zu erklärende Verhalten kennen wir alle aus der Schule oder einem Seminar: Sich melden. Die Frage lautet: Wovon hängt es ab, ob jemand sich meldet oder nicht? Am besten stellen Sie sich jetzt vor, Sie sitzen selber in einem Seminar und wollen zu eben dieser Frage Antworten geben.
Bevor Sie also weiterlesen, notieren Sie bitte drei Ideen, die Sie beitragen würden.
    Vermutlich lassen sich alle Ihre Ideen jeweils einem der folgenden Typen zuordnen:
    Aussagen über
aktuelle innere Prozesse
«hinter» dem Verhalten, also Aussagen über Gedanken, Gefühle oder Motivationen, die sich im Augenblick des Meldens oder Nichtmeldens in dem Menschen abspielen. Beispielsweise: Es hängt davon ab, «ob man eine gute Idee hat», … «ob man motiviert ist, was beizutragen», … «ob man Angst hat», … «ob man sich langweilt», etc.
Aussagen über die
Person
, die sich meldet oder nicht, mithin Aussagen über ihre Fähigkeiten und Eigenschaften, beispielsweise: Es hängt davon ab, … «ob man Selbstvertrauen hat», … «ob man ängstlich ist», … «ob man redegewandt ist», … «ob man für das Thema gute Kenntnisse mitbringt», etc.
Aussagen über die
Vorgeschichte
, allgemeiner: über die
Entwicklung
, dieser Person. Das wären Aussagen wie diese: Es hängt davon ab, «ob man mit seinen Beiträgen meist positive Resonanz erfahren hat», … «ob man von den Eltern früher unter hohen Leistungsdruck gesetzt wurde». Solche Faktoren könnten etwa zu Eigenschaften wie Selbstvertrauen oder Ängstlichkeit geführt haben.
Aussagen über den
äußeren Kontext
, über
Situationsfaktoren
, etwa: Es hängt ab «von der Thematik», … «von der Schwierigkeit der Aufgabe», … «vom Lärmpegel», … «von den Räumlichkeiten (z.B. Gruppenraum oder Hörsaal)» etc.
Aussagen über den
interpersonalen Kontext
, über
zwischenmenschliche
Faktoren, beispielsweise: Es hängt davon ab, «ob andere sich ebenfalls melden», … «ob es sich um eine vertraute oder fremde Gruppe handelt», … «was für eine Beziehung man zu der Lehrperson hat». Solche Faktoren sind nicht völlig extern, sondern sind etwas, was «zwischen» Person X und den anderen Personen existiert.
    Deutlich wird: Das Meldeverhalten – und das gilt für jedes Verhalten – kann nicht aus einer einzelnen Ursache erklärt werden. Vielmehr lassen sich zahlreiche Gesichtspunkte nennen, die alle auf ihre Weise zur Erklärung etwas beitragen. Sie in verschiedene Typen einzuteilen, wie eben geschehen, ist sehr nützlich, aber eine hinreichende Ordnung ist das noch nicht. Denn in welcher Beziehung stehen diese Aspekte zueinander?
    Die Grundaspekte: ein Gefüge – kein «Und-und»!
    Die direkteste Erklärung für das momentane Verhalten eines Menschen sind natürlich die inneren Prozesse «dahinter». Manchmal reicht es uns als Erklärung, wenn wir darüber etwas erfahren, beispielsweise wenn uns jemand sagt, er habe eben «nicht aufgepasst» oder habe unsere Frage «missverstanden». Bei wiederkehrendem und/oder problematischem Verhalten genügt uns das meistens nicht, da wollen wir auch wissen, warum dieser Mensch nicht aufpasst, warum er missversteht oder warum er sich ärgert – warum also genau diese inneren Prozesse auftreten. Um dies zu verstehen, fragt man am besten in zwei Richtungen:
    Was ist das für eine
Person
, die sich so verhält? Was für Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle und Motivationen sind für sie
typisch
? Und eventuell weiter: Wodurch ist dieses Persontypische entstanden? Beides zusammen – die Personfaktoren und deren Entwicklungsfaktoren – bilden zusammen die
Person-Seite
bei der Erklärung des aktuellen psychischen Geschehens.
Wo und wann
tritt das Verhalten auf? Bei welchen Anlässen, bei welchen Anforderungen, in welcher Umgebung, bei welchen interpersonalen Konstellationen usw. Solche Situationsfaktoren und interpersonalen
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