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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition)
Autoren: Peter Watts
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kommen scheint.
    Joel drückt auf den Gashebel. Die Ceratius gewinnt an Höhe. Etwas prallt von hinten gegen das Gefährt, das Heck dreht sich nach Backbord und reißt den Bug herum. In der Schwärze jenseits der Sichtluke steigen plötzlich schlammig braune Blasen auf, die vom Licht der Kabinenbeleuchtung angestrahlt werden.
    Die Anzeige des Thermistors an der Außenhülle schlägt zwei oder dreimal aus. Die Umgebungstemperatur steigt sprungartig von 4 auf 280°C und sinkt dann wieder. Unter niedrigeren Druckverhältnissen würde die Ceratius durch kochenden Dampf hinabstürzen. Hier dreht sie sich lediglich am Rand der Strömung aus hocherhitztem Wasser im Kreis.
    Endlich stabilisiert sich die Lage wieder, die Ceratius ist in ruhigere Eiswasserschichten aufgestiegen. Ein Fischskelett trudelt an der Sichtluke vorbei, das nur noch aus Wirbelsäule und Zähnen besteht, jeder Fetzen Fleisch ist von den Knochen abgekocht.
    Joel wirft einen Blick über die Schulter. Preteelas Finger haben sich in die Rückenlehne seines Sitzes gekrallt; ihre Fingerknöchel besitzen dieselbe Farbe wie die Knochen, die vor der Luke vorbeitanzen. Unter der Fracht herrscht Totenstille.
    »Eine weitere Thermalquelle?«, fragt Preteela mit zittriger Stimme.
    Joel schüttelt den Kopf. »Der Meeresboden ist aufgerissen. In dieser Gegend ist er sehr dünn.« Er bringt ein kurzes Lachen zustande. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass es ein wenig holprig werden kann.«
    »Mm-hmm.« Ihre Finger lösen sich von Joels Sitz. Im Schaumstoff sind immer noch die Abdrücke ihrer Fingernägel zu sehen. Sie beugt sich vor und flüstert: »Können Sie bitte die Kabinenbeleuchtung ein wenig hochregeln? Bis wir so etwas wie eine nette Wohnzimmeratmosphäre haben …« Damit geht sie nach achtern und kümmert sich um die Fracht: »Na, das war ja aufregend. Aber Joel versichert uns, dass kleine Explosionen wie diese hier unten an der Tagesordnung sind. Kein Grund zur Besorgnis, obwohl sie einen manchmal unvorbereitet treffen können.«
    Joel dreht die Kabinenbeleuchtung hoch. Die Fracht sitzt schweigend da, die Köpfe in den Headsets vergraben. Preteela eilt zwischen ihnen umher und beruhigt sie. »Und natürlich ist unser Ausflug noch längst nicht zu Ende …«
    Er schaltet auf Echolotanzeige um und richtet sie nach achtern aus. Ein leuchtender Sturm wirbelt über die Positionsanzeige. Darunter ist ein neuer Grat aus hervorquellendem Gestein zu sehen, der sich quer durch die Baustelle der Netzbehörde zieht.
    Preteela ist wieder hinter ihm. »Joel?«
    »Ja?«
    »Es heißt, dass hier unten einmal Menschen leben sollen.«
    »Mm-hm.«
    »Wow. Wer wird das sein?«
    Er blickt sie an. »Haben Sie denn die PR-Threads nicht gesehen? Nur die besten und klügsten Köpfe. Die die ewige Nacht zurückdrängen, um das Feuer der Zivilisation zu entfachen.«
    »Im Ernst, Joel. Wer wird hier unten leben?«
    Er zuckt die Achseln. »Woher soll ich das wissen?«

Benthos

Duett

Schließmuskel
    W enn in der Station Beebe die Lichter ausgehen, kann man das Metall ächzen hören.
    Lenie Clarke liegt in ihrer Koje und lauscht. Über ihr, jenseits der Rohre, Drähte und der eierschalenförmigen Panzerung, drücken drei Kilometer schwarzer Ozean auf sie nieder. Unter sich spürt sie die Riftzone, die den Meeresboden mit einer Kraft aufreißt, die ausreichen würde, um einen ganzen Kontinent zu verschieben. Sie liegt in ihrem zerbrechlichen Zufluchtsort und hört, wie sich Beebes Panzerung um Mikrometer verschiebt und ihre Nähte kaum hörbar knacken. Auf dem Juan-de-Fuca-Meeresrücken ist Gott ein Sadist, und Sein Name lautet Physik.
    Wie konnte ich mich nur dazu überreden lassen?, fragt sie sich. Warum bin ich hier heruntergekommen? Doch sie kennt die Antwort bereits.
    Clarke hört, wie Ballard in den Korridor hinaustritt. Sie beneidet Ballard. Ballard macht nie einen Fehler, scheint ihr Leben stets unter Kontrolle zu haben. Sie scheint hier unten beinahe glücklich zu sein.
    Clarke rollt sich von ihrer Koje herunter und tastet nach dem Lichtschalter. Die Kabine füllt sich mit trübem Licht. Die Wand neben ihr ist mit Rohren und Zugangsklappen bedeckt. Wenn man sich dreitausend Meter unter der Meeresoberfläche befindet, steht die Funktionalität an erster Stelle, während die Ästhetik höchstens eine Nebenrolle spielt. Sie dreht sich um und erhascht einen Blick auf einen glitschigen schwarzen Lurch auf der spiegelnden Oberfläche des Schotts.
    Manchmal passiert das immer noch. Hin und
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