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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Das Telefon in seiner Hand klingelte, aber bei seinem Tempo konnte er unmöglich antworten. Er sah, wie der Mann auf die Klinik zurannte und in einer Senke des Parks, der die Klinik umgab, verschwand. Das Gebäude selbst war erleuchtet, aber ringsherum war alles stockfinster. Keine Spur von den Streifenwagen, die er angefordert hatte, als die Verfolgungsjagd begann. Er verlangsamte sein Tempo, als er sich dem Gebäude näherte, und nahm das Gespräch entgegen. Es war ein Polizist aus einem der Streifenwagen, der falsche Informationen erhalten hatte und beim Seniorenheim Hrafnista nach ihm Ausschau hielt. Sigurður Óli beorderte ihn zur Klinik und verlangte nicht nur weitere Verstärkung, sondern auch Suchhunde. Im nächsten Augenblick rannte er in Richtung Meer zu der kleinen Bucht Kleppsvík, die völlig im Dunkeln lag. Er blieb stehen, sah sich in alle Richtungen um und lauschte. Keine Bewegung, kein Geräusch. Der Mann hatte sich in der Dunkelheit in nichts aufgelöst.
    Sigurður Óli lief zurück zur Klinik. Dort fuhren gerade zwei Streifenwagen vor, die er zum Gewerbegebiet Holtagarðar und zum Meer hinunter dirigierte. Er gab ihnen eine knappe Beschreibung des Mannes, mittelgroß, Lederjacke, Jeans, Baseballschläger. Sigurður Óli war der Meinung, dass der Mann den Schläger immer noch bei sich haben musste.
    Sie verteilten sich nach seinen Anweisungen überdas Gelände. Er forderte weitere Polizisten an, und nach kurzer Zeit erschienen auch Angehörige des SEK, um sich an der Fahndung zu beteiligen. Das Suchgebiet wurde erweitert, die Leute durchkämmten jetzt das gesamte Gelände zwischen Sæbraut und der Elliðavogur-Bucht.
    Sigurður Óli schwang sich in einen der Streifenwagen bei der Klinik und fuhr zurück zu dem Reihenhaus. Lína war mit Blaulicht ins Krankenhaus transportiert worden, sie war tatsächlich noch am Leben gewesen. Polizeiautos versperrten fast die ganze Straße, und im Haus hatten die Leute von der Spurensicherung ihre Arbeit aufgenommen.
    »Kennst du diese Leute?«, fragte sein Kollege Finnur, der vor dem Haus stand. Sigurður Ólis Notruf war an ihn weitergeleitet worden.
    »Wisst ihr schon, wo ihr Mann ist?«, fragte Sigurður Óli, der sich nicht mehr so sicher war, ob er die ganze Wahrheit sagen sollte.
    »Er heißt Ebeneser«, sagte Finnur.
    »Genau. Idiotischer Name.«
    »Wir wissen nicht, wo er ist. Hinter wem bist du da hergelaufen?«
    »Wahrscheinlich hinter dem Mann, der die Frau überfallen hat«, sagte Sigurður Óli. »Ich gehe davon aus, dass er sie mit dem Baseballschläger am Kopf getroffen hat. Der verdammte Hund hat mir auch einen Hieb versetzt, ich war einen Moment lang außer Gefecht.«
    »Warst du wirklich da drinnen im Haus?«
    »Ich hatte etwas mit ihr zu besprechen. Als ich hereinkam, lag sie auf dem Boden, und dann ist auf einmal dieser Kerl über mich hergefallen.«
    »Glaubst du, dass er eingebrochen ist? Wir haben keine Anzeichen für einen Einbruch gefunden. Er muss durch die Haustür hereingekommen sein, und sie hat sie ihm wahrscheinlich selber geöffnet.«
    »Die Tür war nicht im Schloss, als ich kam. Der Kerl hat vermutlich geklingelt und ist dann über sie hergefallen. Das ist kein normaler Einbruch, da steckt etwas anderes dahinter. Ich gehe nicht davon aus, dass etwas geklaut wurde. Er demoliert die Wohnung und versetzt der Frau einen Hieb auf den Kopf. Wir werden sicher bald erfahren, ob sie noch weitere Verletzungen hat.«
    »Also …«
    »Meiner Meinung nach war das ein Schuldeneintreiber. Wir sollten uns ein paar von diesen Typen vorknöpfen. Den hier kannte ich nicht, ich habe ihn allerdings auch nicht richtig sehen können. Ein Sprinter wie der ist mir noch nicht untergekommen.«
    »Wenn man die Schläge und sein Vorgehen betrachtet, klingt das ziemlich wahrscheinlich. Es könnte darum gegangen sein, Geld von ihr einzutreiben.«
    Sigurður Óli und Finnur gingen ins Haus.
    »War er allein?«, fragte Finnur.
    »Soweit ich weiß, ja.«
    »Was hattest du eigentlich hier verloren? Woher kennst du diese Leute?«
    Sigurður Óli hatte inzwischen den Gedanken aufgegeben, die ganze Wahrheit zu sagen. Am liebsten hätte er das getan, aber dann würde sich nicht mehr verheimlichen lassen, dass dieser Angriff auf Lína etwas mit ihrem kindischen und ungeschickten Versuch zu tun hatte, sich durch Erpressung zu bereichern. Es konnte nämlich durchaus sein, dass Hermann ihr diesen Gangster auf den Hals gehetzt hatte. Seinem Freund Patrekur traute er das
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