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Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Titel: Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
Autoren: PeP eBooks
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schätzt und großes Vertrauen zu unserem Berufsstand hat. Vor dem Anwalt, der wegen seiner Fairness und seines Verständnisses für unsere Arbeit bekannt war. Und vor allem vor den Bürgern, die nun erfahren würden, dass wir eben auch nicht besser sind als andere. Ich wollte nicht glauben, dass einer von uns zu solch einer Tat fähig gewesen war. Insofern erweckte ich wohl ganz unbewusst den Eindruck trauriger Gewissheit, der in diesem Moment genau richtig war:
    Klaus F. hatte feuchte Augen. Er war so weit, er wusste, dass es aus war. Das spürte ich so deutlich, dass ich mich auf wenige Sätze beschränken konnte. Mehr wäre in dieser Situation falsch gewesen. Kurz und knapp sagte ich:
    »Herr F., wir haben heute Nacht die Elisabeth und den Thomas gefunden. In einem Wald bei Dachau. Ohne Köpfe und Hände. Sie wissen, was das heißt, das habe ich Ihnen in letzter Zeit immer wieder lang und breit erklärt. Ihr Anwalt ist da. Am besten, Sie reden erst einmal mit ihm. Dann sehen wir weiter.«
    Er war unfähig zu antworten, quetschte nur ein zaghaftes »Ja« heraus. Angst hatte ihn erfasst. Ja, er hatte Angst. Ich deutete ihm an, mit in ein anderes Büro zu kommen, und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter, schaute ihn an, nickte ihm aufmunternd zu und führte ihn hinaus.
    Inzwischen war der Sozius des Anwalts eingetroffen, und die drei begaben sich zu einer Sitzgruppe auf dem Flur, wo man sie gut beobachten konnte. Klaus F. saß mit gesenktem Kopf wie ein schuldbewusstes Kind auf seinem Stuhl, ohne auch nur ein einziges Mal aufzuschauen. Es dauerte nur zehn Minuten, dann kamen alle drei zurück in mein Büro. Ich saß an meinem Schreibtisch. Klaus F. weinte. Er setzte sich. Sein Anwalt sagte in ganz ruhigem Ton: »Herr F. möchte etwas sagen.« Dieser schaute mich nun direkt an, mit Tränen in den Augen. Er griff über den Schreibtisch, packte meinen Arm und schrie heulend: »Ja, ich war’s. Ich hab’s getan. Sie haben es von Anfang an gewusst, Herr Wilfling. Ja? Sie haben gewusst, dass ich es war, und Sie waren trotzdem fair zu mir. Bitte helfen Sie mir. Bitte!«
    Ich weiß nicht mehr, wie ich die Gefühle beschreiben soll, die ich in diesem Moment verspürte. Verflogen war jede Verachtung und jede Wut. Das Schreckliche, das er getan hatte und das mir vorher noch so unbegreiflich erschien, war plötzlich überdeckt von einer inneren Euphorie, wie man sie empfindet, wenn man einen großen Sieg errungen hat. Besser kann ich es nicht beschreiben, dieses Gemisch aus Abscheu und Triumph. Und weil alle Sieger gegenüber den Besiegten milde gestimmt sind und aller Ärger, alle Wut und alle Schwierigkeiten plötzlich wie verflogen zu sein scheinen, fiel es mir nicht einmal
schwer, ihm sogar tröstend die Hand zu tätscheln. Wie einem Kind, das einem schluchzend etwas gebeichtet hat.
    »Das kriegen wir schon hin, Herr F.«, sagte ich beruhigend. »Wichtig ist jetzt erst einmal, dass Sie sich die Sache von der Seele reden. Sie werden sehen, dann geht es Ihnen gleich besser.«
    Bevor ich mich wieder dem Beschuldigten widmete, hatte ich einen Zettel an den Kollegen K. weitergereicht, auf dem stand: »Alles für Suche nach Leichenteilen vorbereiten.«
    Schon zehn Minuten später begann ich, seine ersten Angaben zu Protokoll zu nehmen. Dazu hatte ich eine Schreibkraft ausgewählt, die erprobt war und als nervlich stabil galt. Es sollte nur das Notwendigste in diesem ersten Geständnis stehen. Die wichtigsten Eckpfeiler erst einmal, also reines Täterwissen. Vor allem, wo er die Hände und Köpfe seiner Opfer versteckt hatte. Würde er uns die Leichenteile zeigen, wäre der Tatnachweis endgültig im Kasten.
    Als Klaus F. die Tötungshandlungen an Elisabeth S. und Thomas W. geschildert hatte, herrschte Totenstille im Raum. Die Anwälte und der Staatsanwalt mussten wahrscheinlich genauso schlucken wie ich. Alle waren innerlich erschüttert. Ob ich nicht auch etwas blass um die Nase war, weiß ich nicht. Wahrscheinlich schon. Aber ich war bemüht, mir nichts anmerken lassen. Was mir normalerweise eigentlich keine Probleme bereitete, weil jeder Mordermittler als Erstes lernen muss, seine Emotionen zu beherrschen. Auch Kindsmördern gegenüber. Wer das nicht kann, ist bei der Mordkommission fehl am Platze. In diesem Fall jedoch fiel es mir schwer, innerlich ruhig zu bleiben. Denn dieses Geständnis übertraf alles,
was ich bisher erlebt hatte. Ich hatte erst gar nicht so richtig kapiert, was er da schilderte. Hatte ich richtig
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