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Abgehauen

Abgehauen

Titel: Abgehauen
Autoren: Manfred Krug
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getan haben. Ich bin auch in der Lage, viele Namen zu nennen. Ich glaube, daß hier nur der Teil eines Bildes – in einer Art und Weise, die mich nicht befriedigen kann – geliefert wird. Und: Hier distanzieren sich in unserer Presse Leute von einer Aktion, von der die Leser dieser Presse ja eigentlich nichts wissen, es sei denn, sie hätten sich anderer Massenmedien bedient.
     
    Beyer:
    Davon gehen wir ja stillschweigend aus, daß das eh geschieht, nicht?
     
    Lamberz:
    Meine Frage ist noch nicht beantwortet, ich will mal unterbrechen; warum hat niemand den Weg gesucht, eine normale Diskussion zu erreichen, anzurufen, zu bitten, zu fragen: Kann man sich über dies oder jenes unterhalten.
     
    Schlesinger:
    Weil sich dadurch nichts geändert hätte.
     
    Christa Wolf:
    Darf ich dazu vielleicht einen Satz sagen, der vielleicht nur auf mich zutrifft. Als diese Frage stand, natürlich haben wir uns diese Frage gestellt, aber wir hatten an demselben Tag den Kommentar des NEUEN DEUTSCHLAND zu der Ausbürgerung Biermanns gelesen. Also, Biermann wurde ausgebürgert, und am nächsten Tag stand dazu der Kommentar im NEUEN DEUTSCHLAND. Und dieser Kommentar ist derart demagogisch und verlogen … Also ich meine, ich habe mich in den letzten Tagen nicht sehr wohl gefühlt, aber immer noch wohler als der Schreiber dieses Kommentars, das muß ich schon sagen. Denn was dort steht – ich weiß nicht, ob es den anderen ähnlich geht –, da hab ich mir gesagt: Was soll man da noch reden? Es sind keine Argumente, gegen die ich ankann. Was soll ich gegen Lügen sagen? Wenn da steht »Biermann ist zu jeder Schandtat bereit« … Was soll der denken, der den Text kennt und der also weiß, in welchem Zusammenhang Biermann das sagt! Soll ich zum Beispiel hier meine Haltung zu Biermann oder zu unserem Staat ausweisen! Ich könnte es freilich tun, aber ich kann auch noch was anderes sagen auf die Frage von vorhin. Wie das immer ist mit dem Klassenfeind. ‘69 ist mir folgendes passiert, was ich nicht vergessen habe, weil es sich nämlich in Bahnen eingräbt, die nicht nur im Kopf, sondern ganz woanders verlaufen. Daß ein westdeutscher Kritiker – er hatte offenbar ein Interesse daran – mein damals gerade im Druck befindliches Buch »Christa T.« für sich, für die BRD »eingekauft« und damit erreicht hat, daß es für hier tot war. Damit war ich vier Jahre lang sozusagen ein Opfer, obwohl ich nicht, aber auch nur einen Finger breit, diesen Leuten entgegengekommen bin. Möglichkeiten dazu hätte ich gehabt. Ich habe alles gemacht, was ihr mir geraten habt, was dazu gedient hat, sozusagen meine Stellung zu diesem Staat deutlich zu machen. Ich habe einen Preis abgelehnt. Ich hab in einem anderen Fall gesagt: Gebt ihn mir erst gar nicht. Ich mußte ihn sowieso ablehnen. Ich habe mich in Diskussionen drüben – schade, daß ich nicht wie Hermann Kant immer Tonbänder dabei aufnehme – für die DDR wacker geschlagen, all das gilt überhaupt nichts. Es steht dann heute in der Zeitung: »Leute, die unter dem GETEILTEN HIMMEL leben, gehören nicht dazu«. DER GETEILTE HIMMEL ist ein Buchtitel von mir. Also ich gehöre nicht zu denen, die hier in der DDR irgendwas bewirkt haben und am Aufbau dieses Staates teilgenommen haben. Ich bin also draußen. Das würde bedeuten, daß sie mich ausbürgern. Also mich müßt ihr schon anders rausschmeißen als Biermann, um mich rauszukriegen. Das würde ziemlich schwer werden.
     
    Lamberz:
    Aber entschuldige: Was im Zentralorgan der Partei steht, ist doch nicht der Beschluß des Politbüros. Wir sind doch nicht für jedes Wort im Zentralorgan verantwortlich.
     
    Wolf:
    Nein, das war jetzt kein Angriff gegen dich. Ich wollte nur sagen, wie es passiert. Das passiert dann auch Leuten, die nicht im Traum daran denken, sich in irgendeinen Gegensatz zu unserem Staat zu begeben. Indem man sie hier im Stich läßt: Guck mal, was die hier über dich schreiben! Also ist es doch so. Und wie man dann keine Möglichkeit hat, sich zu äußern, hier jedenfalls nicht. Und ich hab die Möglichkeit, es drüben zu tun, abgelehnt. Ich würde das auch heute immer wieder in Fällen, die mich betreffen, tun. Vor zehn Jahren würde ich wahrscheinlich so eine Erklärung nicht gemacht haben. Und daß ich kein Biermann-Fan bin, weiß jeder. Und Biermann weiß es auch. Aber es ging hier, glaube ich, um eine andere, grundsätzliche Sache. Wenn man so wie von einer Keule getroffen ist von einer Entscheidung, daß einem die Beine
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