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Abgehauen

Abgehauen

Titel: Abgehauen
Autoren: Manfred Krug
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Heym im Westfernsehen.) Meiner Meinung nach so, wie sich das gehört. Wer in einer so komplizierten Frage – für die DDR wirklich komplizierten Frage – wie der Selbstverbrennung von Brüsewitz mit einer staatsbürgerlichen Souveränität geantwortet hat … Und er hatte keine solchen geistigen Riesen als Partner, von denen ihm einer einen Ball hätte zuwerfen können … Er hat gesagt: Ich bin bereit zu diskutieren, ich würde mich freuen, im Fernsehen der DDR zu sprechen … Das war eine Art Happening. Und damit hat er eigentlich gezeigt, wie man auftreten kann, ohne sich mit anderen zu identifizieren. Und zwischen dem, was Heym dort gesagt hat zum Beispiel und dem, was Biermann macht, meine ich, gibt es einen qualitativen Unterschied. Also, ich bitte zu verstehen, daß aus der Situation heraus, die sich ergeben hat, aus dem Auftritt von Biermann und den weiter beabsichtigten Auftritten eine solche Entscheidung gekommen war.
     
    Heym:
    Ich möchte gern festhalten, daß die Entscheidung der Regierung von Montag auf Dienstag gefallen ist.
     
    Lamberz:
    Das weiß ich nicht. Da müßte ich …
     
    Heym:
    Doch. Am Montag ist er aufgetreten, am Dienstag kam die Ausbürgerung. Am Montag abend müßte die Entscheidung gefallen sein, entweder über Nacht oder am nächsten Morgen.
     
    Lamberz:
    Die ist sicherlich am nächsten Tag gefallen.
     
    Karl Sensberg:
    Die Entscheidung, die Entscheidung … Aber das ist ja nicht so, daß man sich das ganz plötzlich überlegt … Ich meine, der Genosse Lamberz hat ja gesagt, daß der da in Köln so aufgetreten ist. Und das ist der Punkt.
     
    Jurek Becker:
    Genosse Lamberz hat auch gesagt, daß vorher nicht daran gedacht worden ist, daß der Auftritt der die Aussperrung auslösende Effekt war.
     
    Heym:
    Die Entscheidung fiel innerhalb von zwölf Stunden. Sie sagen selbst, vorher gab es keine Absicht. Das sollten wir doch mal festhalten.
     
    Lamberz:
    Jetzt möchte ich aber folgendes sagen: Halten wir hier was fest? Ich bitte, eins zu klären, ja?: Wir halten hier nichts fest.
     
    Heym:
    Aber da Sie gesagt haben, das ist eine Entscheidung von gestern auf heute gewesen – nicht? –, so will ich das nur noch mal wiederholen. Wiederholen. Damit das auch wirklich klar ist. Denn mir ist es bisher noch nicht vorgekommen, daß Regierungsentscheidungen von doch ziemlichem Gewicht – Sie mußten sich darüber klar sein, was kommt – in so kurzer Zeit und ohne Diskussion des Politbüros und so aus der Lamäng gemacht worden sind.
     
    Lamberz:
    Das ist nicht aus der Lamäng gemacht worden, denn es gab ja vorher schon eine ganze Reihe von Stimmen, die verlangt haben – nicht in der Regierung, sondern in Parteior ganisationen und in parteilosen Kollektiven, es gab sogar West Journalisten, die gesagt haben: – warum habt ihr ihn nicht vor Gericht gestellt? Vorher war er doch ein unbekannter Mann. Als er zum ersten Mal – ich glaube, das war vor vier oder fünf Monaten – im Zweiten Westfernsehen auftrat, gab es schon eine ganze Reihe von Stimmen aus den verschiedensten Schichten, die verlangt haben, gegen ihn auch juristisch vorzugehen. Deshalb ist es keine emotionale Entscheidung gewesen, die über Nacht erfolgt ist, sondern es hat sich hier vieles angehäuft. Und als Biermann dann den Antrag gestellt hat zu fahren und als entschieden worden ist: ja – und noch einmal: nicht vom Politbüro und von niemand personell, sondern auf der Regierungssitzung; alle anderen Vorstellungen sind absoluter Unsinn – und als er gefahren ist, da hat man natürlich sehr aufmerksam hingesehen: Was wird passieren? Was ist herausgekommen, und darum geht’s mir eigentlich? Sicher, über Biermann könnte man viel diskutieren und unterschiedlicher Meinung sein. Ich persönlich schätze die Lage jetzt so ein: Es handelt sich nicht mehr um Biermann, sondern es handelt sich wirklich um eine politische Plattform, die von der anderen Seite entwickelt wird und wo er auch benutzt wird, es handelt sich im Grunde um unseren Staat und unsere Sache. Ich habe noch nicht erlebt, daß ein Kommunist – er sagt ja, er sei Kommunist – von der Presse der Bourgeoisie so popularisiert und von den Massenmedien der Bourgeoisie so benutzt wurde.
     
    Krug:
    Das ist nicht Biermanns Schuld …
     
    Lamberz:
    Dem Louis Corvalan geht’s viel schlechter als dem Biermann. Ich spreche nicht allein von der Schuld und gar nicht von seiner Schuld. Die Frage ist: Ist dieses Programm der anderen Seite – ist das das Programm
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