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Abgehauen

Abgehauen

Titel: Abgehauen
Autoren: Manfred Krug
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der Leute, die sprechen wollten und protestierten, oder muß man sich gegen dieses Programm wehren, muß man sich davon distanzieren? Man muß hier eine klare und feste Meinung zum Ausdruck bringen. Oder läßt man die Dinge laufen? Darum ging’s mir eigentlich.
     
    Krug:
    Werner, es gibt in der DDR wohl kaum einen Typen, bei dem man vorher so sicher sein kann, daß er, wenn man ihn rausläßt, genau dasselbe sagen und tun wird, was er gesagt und getan hat, solange man ihn nicht rausließ. Es gibt kaum einen Mann, bei dem das, was er machen wird, so absehbar ist wie bei Biermann.
    Ich habe Stefan Heyms Talk-Show auch gesehen und ihn genauso bewundert wie du …
     
    Becker:
    Ich auch.
     
    Frank Beyer:
    Ich auch …
     
    Krug:
    Ich habe ihn um die Möglichkeit, überhaupt so clever sein zu können, beneidet. Ich wäre sicher stolz gewesen, wenn mir in einer ähnlichen Situation so viele pfiffige Sachen eingefallen wären.
    Du sagst, wer behauptet, der Entschluß über Biermanns Rausschmiß sei von vornherein getroffen gewesen, lügt. Ich kann hier nur vermuten und verdächtigen, lügen nicht. Du sagst, du warst nicht dabei und weißt nicht, wie das im einzelnen vor sich gegangen ist. Wenn’s doch nur den Lie ben Gott gäbe, und er wäre dabeigewesen, und er würde sagen: Manfred, ich hab’s gesehen, ich war dabei … Ich würde mir ‘ne Hand dafür abhacken lassen, daß es von vornherein beschlossene Sache war, ihn loszuwerden. Ich kann nichts anderes glauben. Das ist bei mir ein Punkt. Der zweite ist der: Es ist doch nicht unsere Schuld, daß jedesmal, wenn Leute in diesem Land euch etwas sagen wollen, das sich gegen eine eurer Entscheidungen richtet oder das eine eurer Entscheidungen modifizieren oder ändern will, daß die Leute dann jedesmal in dieselbe Zwickmühle kommen, nämlich in die Zwickmühle, daß sie irgendeinen Schrieb bei ADN abgeben und ADN silberhell kichert und die Leute abweist nach der Formel: Das ist eine Frage des Klassenstandpunktes, ob man mit Kritik an die Öffentlichkeit geht oder nicht. So stehen sie dann als konspirative Dummköpfe in der Gegend rum und können euch nicht erreichen und erreichen auch nie eine Veröffentlichung. Du hast das Wort »protestieren« in dem Text sehr herausgestrichen. Natürlich ist auch von Protest die Rede. Gegen eine so ungeheuerliche Entscheidung, einen aus dem Land zu schmeißen, kein Wunder.
    Man sieht’s ja, die Leute hängen immer am Arsch vom Klassenfeind rum und müssen darüber nachgrübeln, ob sie den nicht brauchen, wenn sie in der nächsten Umgebung gehört werden wollen. Das ist ein furchtbarer, undemokratischer, bedauerlicher Zustand. Diesen Zustand zu ändern, daran sollten ein paar Gedanken verschwendet werden. Es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, anständigen Leuten, die sich nach Kräften am sozialistischen Aufbau beteiligt haben und beteiligen, im eigenen Land eine Öffentlichkeit zu verschaffen, auch und gerade für kritische Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten. Wenn es das gäbe, wäre Biermann gestern abend nicht vier Stunden lang über den Sender gegangen.
     
    Lamberz:
    Manfred, erstens: Führt man ein Gespräch, wenn man mit Leuten diskutieren will, über eine Nachrichtenagentur? Zweitens: Wer hat zum Beispiel – also mich kennen viele Leute, ich bin noch nie einer Debatte ausgewichen, ich habe auch gesagt, zu mir kann kommen, wer will, ich diskutiere auch mit jedem, auch in diesem Kreis – wer hat angerufen? Bei Honecker, was weiß ich, bei Hager, bei Lamberz, bei Y, bei Z in dieser Sache?
    Dritte Frage: Wie erklärst du dir, daß die Nachrichtenagentur der BRD als erste diese Erklärung hatte, vor uns?
     
    Klaus Schlesinger:
    Das stimmt nicht.
     
    Lamberz:
    Aber entschuldige! Ich kann euch die Zeitungen geben, wann DPA die Erklärung rausgegeben hat …
     
    Heym:
    Das war um fünf Uhr nachmittags. Der Genosse Herrmann im NEUEN DEUTSCHLAND hat sie um zwei Uhr nachmittags gehabt.
     
    Lamberz:
    Genosse Herrmann? Weiß ich nicht.
     
    Heym:
    Herrmann wurde gesagt, er soll sie an ADN weitergeben. Von Stephan Hermlin persönlich, Sie können ihn anrufen. Wenn der Genosse Herrmann nicht den Mut hat, diese Erklärung an ADN weiterzugeben, dann ist das die Angelegenheit vom Genossen Herrmann. Das kann niemandem anders zum Vorwurf gemacht werden.
     
    Lamberz:
    Also, ich kann nur feststellen, daß ADN diese Erklärung nach DPA bekommen hat und ich persönlich – ich war zu dieser Zeit nicht in Berlin –
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