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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt
Autoren: Nina Schmidt
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Wochen! Vier Wochen sind eine gute und realistische Zeitspanne, um gewisse Ziele zu erreichen. Und in vier Wochen hab ich Geburtstag, das passt doch ganz gut. Mit Jens hat das absolut nichts zu tun, nein, es geht um was ganz anderes. Ich will mit 35 Jahren auf dem Höhepunkt meiner erotischen und attraktiven Ausstrahlung sein und, nun ja, wenn Jens das mitkriegt, kann das ja nicht schaden. Ich nehme ein gelbes Post-it von der Kommode im Flur, schreibe darauf »Bis zum 12. 9. super aussehen!!!!« und klebe es in die Mitte des Spiegels, was jetzt ein bisschen so aussieht, als ob mir ein gelber Zettel an der Stirn hängt. Ich trete einen Schritt zur Seite und lächle siegessicher. Dann gehe ich zurück zu meinem Computer, drücke den Antworten-Button, schreibe Wir sehen uns am 12 . 9 . bei mir! Liebe Grüße Jessica mit süßem Hintern;-) in das Textfeld und schicke die Mail ab. So! Mein Blick fällt auf die große Uhr in der Küche. Scheiße! Ich bin schon wieder viel zu spät dran.

DREI  Whirlwoman
    Ich arbeite bei Interpool. Interpool ist kein Geheimdienst, sondern ein renommierter Hersteller für Whirlpools und Whirlbadewannen. Ich bearbeite die Aufträge, koordiniere Transport und Einbau, stehe den Kunden Rede und Antwort und bin – und das ist für mich das Wichtigste – das Gesicht des Unternehmens: »Miss Interpool«. Mein Gesicht schmückt Flyer und Kataloge und sogar das riesige Plakat über dem Haupteingang. Auch wenn man auf unsere Website geht, sieht man als Erstes mich im Bademantel, freundlich lächelnd – mit mindestens drei Kilo weniger auf den Hüften, ohne Cellulite und ohne Bohlen-Furchen – neben einer High-Tech-Badewanne stehen. Vor drei Jahren kam unser Marketing-Chef Herr Laval auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich das nicht machen wollte. Klar wollte ich, zumal ich dafür eine unserer Whirlbadewannen inklusive Einbau bekommen habe. Eigentlich ein Auslaufmodell, aber das Wort dürfen wir bei Interpool nicht benutzen. Statt Chanel und Lagerfeld präsentiere ich zwar nur den »Quirlie 2000«, aber immerhin kostet der über 3000 Euro, also im Grunde nicht viel weniger als eine Lagerfeld-Kreation.
    Ich steige in den Aufzug, in dem noch vier Kollegen stehen, die ich zwar nicht kenne, die mich aber trotzdem alle freundlich grüßen. So ist das eben, wenn man das Gesicht der Firma ist, und ich muss sagen, man kann sich dran gewöhnen. In der zweiten Etage steige ich aus, biege um die Ecke und gehe in Richtung meines Büros. Es ist sehr klein und eines von sieben Glasbüros. Abhängig vom jeweiligen Insassen, heißen die Büros Affenkäfig, Elefantenhaus, Schlangenterrarium oder Haifischbecken. Ich finde, mit Aquarium bin ich noch ganz gut weggekommen, schließlich schwimmen in einem Aquarium meistens wunderschöne und exotische Fische, im Gegensatz zu einem Haifischbecken, in dem unser schlecht gelaunter grauhaariger Vorzimmerdrachen sitzt. Meine Freundin und Kollegin Julia findet Aquarien dagegen grundsätzlich furchtbar. Exotische Fische über Jahre in einen Glaskasten zu sperren wäre eine besonders grausame Art der Tierquälerei. Aber Julia hat auch bei Findet Nemo geheult, als der böse Zahnarzt den kleinen Nemo einsperrt, weil er ihn seiner sadistischen Tochter schenken will. Manchmal fühle ich mich in meinem Glasbüro allerdings auch gequält, vor allem von unseren Kunden und meinem Chef, der gerade vor meiner Bürotür steht und mit einer Kollegin spricht. Über mich! Ich höre sie sagen, » … keine Ahnung … hab sie heute noch nicht gesehen!«
    Ich bleibe abrupt stehen. Mein Chef darf auf gar keinen Fall mitkriegen, dass ich schon wieder viel zu spät bin. Ich verschwinde schnell in der Herrentoilette, vor der ich gerade stehe. Am Pissoir steht Herr Schulte aus der Buchhaltung und pinkelt vor Schreck neben das Becken, was vielleicht daran liegt, dass er mit Anfang fünfzig noch bei seiner Mutter lebt, noch nie eine Beziehung hatte und sehr wahrscheinlich noch nie in Anwesenheit einer Frau gepinkelt hat. Ein absoluter Bilderbuch-Buchhalter.
    »Frau Kronbach! Das ist die Herrentoilette!«
    Herr Schulte klingt gleichzeitig entsetzt und sehr schwul.
    »Keine Panik, ich will mir nur kurz was ausziehen und dann bin ich auch ruck, zuck wieder draußen.«
    »Was ausziehen? Hier?« In seiner Stimme schwingt Panik mit.
    Ich beachte ihn nicht weiter, ziehe meine Jacke aus, nehme mein Filofax und einen Stift aus der Handtasche und hänge sie zusammen mit der Jacke an einen Haken neben dem
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