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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt
Autoren: Nina Schmidt
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nicht verlassen, weil sie dir so gut gefallen hat. So plötzlich ändert man doch seinen Geschmack nicht, oder?«
    »Also gut, Miss Marple«, seufze ich, »wenn du es unbedingt wissen willst. Manchmal komme ich eben mit dem Geld, das ich bei Interpool verdiene, nicht aus. Deshalb habe ich die Sachen verkauft, die ich sowieso nicht brauche.«
    »Und was ist mit deiner antiken Kommode hier? Willst du die etwa auch verkaufen?« Julia zeigt auf meine Biedermeier-Kommode, die bereits ausgeräumt und zum Transport bereit mitten im Zimmer steht.
    »Ja. Die verkauf ich auch! Interesse?«
    »Aber warum? Wofür brauchst du denn so viel Geld?«
    »Unter anderem für meinen Geburtstag.«
    »Für deinen Geburtstag?«
    »Warum wiederholst du alles, was ich sage? Ja, für meinen Geburtstag, mein Gott! Schließlich feiere ich eine Party, da muss ich einiges vorbereiten.«
    »Aha! Und deshalb verkaufst du deine ganzen Sachen?«
    Mann, Mann, so langsam komme ich mir vor wie eine Verbrecherin, die von einer übermotivierten Staatsanwältin in ein übles Kreuzverhör genommen wird. Um Julia zu ärgern und sie von den fehlenden Möbeln abzulenken, sage ich: »Erstens verkaufe ich nur die Kommode, weil die anderen Sachen ja bereits verkauft sind, und zweitens hab ich Jens zu meiner Geburtstagsfeier eingeladen.«
    Julia reißt entsetzt ihre braunen Augen auf. Ich wusste, dass sie darauf anspringt. »Du hast was?«
    »ICH … HABE … JENS … ZU … MEINER … GEBURTSTAGSFEIER … EINGELADEN«, artikuliere ich sehr laut und deutlich jedes Wort.
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«
    »Er hat mir letzte Woche eine E-Mail geschrieben, dass er wieder nach Köln zieht.«
    »Aber das ist doch wohl kaum ein Grund, ihn sofort zu deinem Geburtstag einzuladen? Hast du vergessen, was das für ein Hickhack mit dem Typ war?«
    Habe ich nicht, ich habe es höchstens vielleicht ein bisschen verdrängt und möchte auch jetzt nicht an Details erinnert werden, zumal Julia nie verstanden hat, was ich an Jens finde. Sie meinte immer, er wäre »einfach gestrickt«.
    »Und für diesen Typen willst du abnehmen? Für den verkaufst du deine Möbel?«
    »Nein! Ich will an meinem Geburtstag einfach nur verdammt gut aussehen, und das hat rein gar nichts mit Jens zu tun«, fahre ich sie an, »aber das verstehst du nicht, weil es dir nun mal egal ist, wie du aussiehst!«
    »Zumindest ist es mir nicht so wichtig, dass ich jede Woche siebenmal um einen verseuchten Tümpel in der Innenstadt jogge, mein ganzes Geld für überteuerte Kosmetik und Klamotten ausgebe und jede Kalorie dreimal zähle. Ich versteh dich einfach nicht! Wie kann man nur so oberflächlich sein?«
    Julia schüttelt verständnislos den Kopf, ihr Ton ist mehr als herablassend, und ich finde, dass sie damit ein bisschen zu weit geht. Eine nicht zu verachtende Wut bildet sich in meinem Bauch und steigt die Speiseröhre hoch, um sich dann in Form von Worten einen Weg nach draußen zu verschaffen.
    »Gut, vielleicht übertreibe ich manchmal, aber ganz ehrlich, du UNTERtreibst in diesen Dingen, und zwar extrem.«
    »Wie meinst du das?« Julia starrt mich feindselig an. Ich bin leider nicht mehr zu halten, mein Über-Ich versagt den Dienst, und alles schießt ungefiltert und ungebremst aus mir raus: »Na, guck dich doch mal an in diesen schlabberigen Achtziger-Jeans und dem ausgeleierten Sweatshirt. So würde ich nicht mal alleine zu Hause auf der Couch liegen. Und ’ne Frisur könnte dir auch nicht schaden.«
    »Ich hab wenigstens noch ’ne Couch, auf der ich liegen kann«, faucht Julia mich an. »Und mal ehrlich, so wie du heute aussiehst, gewinnst du auch keinen Blumentopf. Aber wenn es dich beruhigt: Für Jens wird’s schon noch reichen, der hat ja noch nie viel mitgekriegt.« Sie nimmt ihre Jacke und ihre Tasche und verlässt wortlos meine Wohnung.
    Julia hat es echt drauf, mich in einem Sekundenbruchteil ganz oben auf eine riesige Palme zu bringen. War ja klar, dass sie auf Jens rumhackt, ich glaube, sie war schon immer ein bisschen eifersüchtig auf unsere leidenschaftliche Beziehung. Von Beziehungen hat Julia keine Ahnung, wie auch, wenn man immer rumläuft, als wäre man gerade aus dem Humana-Container gestiegen, tut man sich eben schwer mit Männern.
    Als meine Wut ein wenig verraucht ist, lasse ich mich deprimiert auf ein Sitzkissen fallen. Kleine Schlechte-Gewissen-Zwerge fangen sofort an, an mir zu nagen und flüstern mir ununterbrochen ins Ohr, dass das, was ich zu Julia gesagt habe,
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