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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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eine Uhr. Sie spürte jede Sekunde wie einen Schlag, der durch ihren ganzen Körper ging.
    Robert kam nicht.
    Marie hielt immer noch das Telefon in der Hand. Es war von ihrem Handschweiß feucht geworden. Sie wischte ihn mit dem Stoff ihrer Bluse weg. Ob sie Leos Mutter anrufen und fragen sollte, ob Robert sich noch bei ihr aufhielt? Nein.
    Wenn er nicht zu der von ihr berechneten Zeit zurückkam, konnte das nur heißen, dass er Johann auf seinem Nachhauseweg nicht gefunden hatte und nun in einem weiteren Umkreis nach dem Jungen suchte.
    Halb neun. Jetzt war es draußen dunkel. Gut, dass der Junge Licht an seinem Rad hatte, sagte sie sich – und kam sich im selben Moment unsagbar blöd vor. Es war halb neun, ihr elfjähriger Sohn war seit eineinhalb Stunden überfällig, und sie beruhigte sich damit, dass er Licht an seinem Rad hatte.
    Am Ende der Straße, dort, wo der Mühlenteich war, tauchten zwei Scheinwerfer auf. Robert?
    Komisch, jetzt erst fiel Marie auf, dass die ganze Zeit, während sie am Fenster saß, kein Fahrzeug vorbeigekommen war. Hatte das etwas zu bedeuten?
    Sie wohnten an keiner Durchgangsstraße. Und es war schon fast neun Uhr. Um diese Zeit gab es nie viel Verkehr. Das Auto hielt an einem anderen Haus. Eine Frau und Kinder stiegen aus. Die Kinder lärmten. Die Frau wies sie zurecht.
    Marie kamen die Tränen.
    Wo blieb Robert nur?
    Er hatte doch sein Handy dabei. Warum rief er nicht an?
    Sie wählte seine Handynummer. Mit fliegenden Fingern. Sie wunderte sich, dass sie die Nummer auswendig kannte. Sie rief ihn so selten an. Marie hatte kein Handy. Sie brauchte so etwas nicht. Sie war etwas altmodisch. Im Vergleich zu Robert. Und zu Johann.
    Sie musste das Telefon weglegen, ein Weinkrampf schüttelte sie.
    Wenn dem Jungen etwas passiert war, was tat sie dann? Ohne Johann würde sie nicht mehr leben wollen. Warum konnte sie nicht für ihn sterben? Wie süß das für eine Mutter sein musste – mit ihrem Leben ihr Kind zu retten.
    Doch dann fasste sie sich wieder. Sie schnäuzte sich die Nase und wählte erneut Roberts Handynummer. Es läutete. Er hatte sein Handy also eingeschaltet. Vorbildlich.
    Es läutete weiter. Sie dachte an Roberts Klingelton. Marie fand ihn albern. Die Erkennungsmelodie einer Fernsehserie aus den achtziger Jahren. Sie glaubte, diese Melodie zu hören. Doch das war unmöglich.
    Es läutete und läutete. Robert ging nicht ran. Die Mailbox schaltete sich ein.
    Marie legte auf. Robert musste doch wissen, dass sie es war, die ihn zu erreichen versuchte. Möglicherweise sah er es sogar auf seinem Display. Warum ging er nicht ran? Warum ließ er sie zappeln? Er wusste doch, wie es um sie stand, dass sie schier starb vor Sorge um ihr Kind.
    Sie wählte die Nummer von Johanns Handy. Vielleicht hatte der Junge es ja inzwischen eingeschaltet. Vielleicht wartete er sogar auf ihren Anruf, auf den Anruf seiner Mutter.
    Mit klopfendem Herzen horchte sie. Warum dauerte es bei Handynummern immer so lange, bis die Verbindung hergestellt war?
    Wie schön wäre es, wenn er jetzt abnehmen und etwas zu ihr sagen würde. Etwas Tröstliches, was den Knoten, der sie zu ersticken drohte, löste. Nur ein, zwei Worte. Worte, an denen sie erkannte, dass es ihrem Kind gut ging. Dafür hätte Marie in diesem Moment alles gegeben.
    Nichts. Johanns Handy war immer noch abgeschaltet. Obwohl er doch eigentlich wissen musste, dass seine Eltern ihn zu erreichen versuchten. Er war doch so ein kluger Junge.
    Autoscheinwerfer. Marie erkannte Roberts Wagen.
    Endlich.
    Sie rannte ihm entgegen. Sie machte absichtlich Lärm im Flur. Lärm, um nicht hören zu müssen, dass womöglich nur eine Tür zugeschlagen wurde.
    Robert war schon an der Haustür. An seinem Gesicht erkannte sie, dass er ohne den Jungen gekommen war. Robert sah aus wie sein Vater. Wie sein Vater, als es ihm damals so schlecht ging. Kurz bevor er starb. Genauso sah Robert jetzt aus. Er sah dem alten, totkranken Mann zum Verwechseln ähnlich.
    Er wollte an ihr vorbei. Doch sie stellte sich ihm in den Weg.
    Er konnte ihr nicht in die Augen schauen. »Du kennst ihn ja. Er hat die Zeit vergessen.«
    Sie war ihm dankbar, dass er nicht sagte: Der kann was erleben.
    Robert schob sie beiseite. Er ging ins Bad. Sie hörte ihn husten. Dann wurde es still.
    Marie horchte. Was tat er? Weinte er? Robert doch nicht.
    Dann wurde die Spülung betätigt. Wasser lief.
    Er kam zurück. Rote Augen. Robert zitterte.
    Er ging hin und her, wie jemand, dem entfallen war, was
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