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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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hatte diese Gewissheit, eine Gewissheit, wie Marie sie von Leuten kannte, die in die Kirche gingen und fest an Gott glaubten. Johann lebte. Sicher.
    »Darf ich reinkommen?« Fürbringer klang fast ein bisschen beleidigt, er fühlte sich wohl überfahren. Sie machte ihm Platz. Als er an ihr vorbeiging, roch sie für einen Augenblick den Hauch des Morgens. Wald, Tau, aufgeworfene Erde, die noch dampfte. Sie wünschte sich, jetzt draußen zu sein. Über die Felder zu laufen, wie sie das ein- oder zweimal die Woche tat, tief durchzuatmen und an nichts zu denken.
    Fürbringer ging in die Küche. Er war ungeduldig. Sie eilte hinterher. Er hatte sich bereits einen Stuhl zurechtgeschoben, wagte aber nicht, sich zu setzen, bevor sie es ihm erlaubte. Den Gefallen tat Marie ihm nicht. Er sollte im Stehen berichten, das fand Marie eher angebracht.
    Fürbringer schielte zu der Kaffeemaschine hinüber. Sicher hatte er noch keinen Kaffee getrunken. Wie Marie ihn einschätzte, lebte er allein. Sein Erscheinungsbild war nicht verkommen, aber unordentlich, nachlässig, etwas schlampig. So wie bei alten Männern, die nur noch auf das Nötigste achten. Eine Frau würde das nicht dulden.
    Marie bot ihm keinen Kaffee an. Noch nicht. Sie war nicht unhöflich; der Kaffee war einfach noch nicht durchgelaufen. Sollte er erst mal sagen, was er zu sagen hatte.
    Fürbringer knöpfte seine altmodische Weste auf. Er war erhitzt, das spürte Marie, sie roch es sogar. Dann wusste er nicht, wohin mit den Händen. Marie konnte ihm nicht helfen.
    Sie stand da und tat nichts. Sie wartete.
    Fürbringer räusperte sich. »Folgendes.« Er sah dabei aus, als wäre das das entscheidende Wort gewesen, auf das Marie die Nacht über gewartet hatte. »Wir suchen jetzt alle die Bereiche ab, die wir in der Nacht auslassen mussten. Systematisch. Zwei Hundertschaften sind im Einsatz.«
    Marie schoss ein Gedanke durch den Kopf: Wer bezahlt das eigentlich alles?
    Wie albern der Geist doch werden kann, wenn er zu sehr strapaziert wird.
    »Wenn der Junge in der Gegend ist, werden wir ihn finden.«
    Das war der erste Satz, den er nur gesagt hatte, um sie zu trösten. Das rechnete sie ihm an.
    »Wir haben eine Hundestaffel angefordert. Sie muss jeden Moment hier eintreffen.«
    Hunde! Genau. Warum waren sie nicht schon gestern Abend daraufgekommen? Hunde. Ihre Nasen erschnüffelten alles. Selbst auf weite Entfernungen. Das war es. Die Hunde würden Johann finden. Der Junge mochte Hunde so gerne. Er war verrückt nach ihnen.
    Fürbringer hatte bemerkt, dass sie gleich heulen würde. Deshalb sprach er schnell weiter: »Die Hubschrauber scannen das gesamte Gebiet ab. Mit der Wärmebildkamera kann man ein Lebewesen auch in einem völlig unzugänglichen Gelände erfassen.«
    »Wie soll Johann denn in ein Gelände kommen, das unzugänglich ist?«, fragte Marie.
    Fürbringer ignorierte ihre Frage. »Sie sehen, wir tun alles, Frau Lieser.«
    Sollte sie jetzt ihren Teil dazu beitragen? Worin bestand der? Warum sagte ihr das keiner? Warum war sie so allein, auf sich gestellt? Es war doch in solchen Fällen immer von Psychologen die Rede. Wo war der Psychologe?
    Nein, schoss es ihr durch den Kopf. Kein Psychologe! Wenn die kamen, war das Schlimmste passiert. Psychologen und Seelsorger, bloß nicht!
    »Wir haben da Erfahrungswerte. In den ersten zwölf Stunden ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass so eine Sache gut ausgeht. Umso mehr tun wir, wenn die zwölf Stunden vorüber sind.«
    Zwölf Stunden. In den zwölf Stunden seit gestern Abend um sieben hatte Johann die besten Chancen gehabt. Nun wurde es schwieriger.
    Eine Hupe ertönte zweimal kurz hintereinander. Fürbringer ging zum Fenster und schob die Übervorhänge etwas zur Seite. »Aha«, sagte er. »Die Hunde.«
    Eine Autotür wurde zugeschlagen. Marie glaubte, Hunde hecheln zu hören.
    Sie ging in den Flur. Erst wollte sie in Johanns Zimmer. Doch dann fiel ihr ein, dass Robert sich dort aufhielt. Sie schob die Mäntel an der Garderobe beiseite. Darunter hing die graue Weste mit Kapuze und Reißverschluss, die Johann den ganzen Winter über unter dem Anorak getragen hatte. Seit es draußen nicht mehr so kalt war, ließ er sie zu Hause. Obwohl ihn Marie jeden Morgen dazu aufforderte, die Weste mit in die Schule zu nehmen. Doch er hörte nicht auf sie.
    Marie nahm die Weste vom Haken und knüllte sie zusammen. Das Programm übernahm wieder die Führung. Sie ging hinaus.
    In der Auffahrt blieb sie kurz stehen und führte
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