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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake
Autoren: Dana Phillips
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Vergnügen!
    Sayonara! Ihre Dana

4

    Gericht: Edamame
    Japaner des Tages: Die Dienstmädchen in den Cafés von Akihabara
    Place to be: Die New York Bar im Park Hyatt Hotel
    Erkenntnis: Lost in Translation
    I ch sitze im Zug Richtung Tokio. Erholt und tiefengereinigt kehre ich von meinem Aufenthalt in den heißen Quellen in die Großstadt zurück. Entspannt und zufrieden lehne ich den Kopf an die Fensterscheibe und schaue auf die vorbeigleitende Landschaft, als sich auf einmal in der Ferne der Fuji oder Fujisan , wie die Japaner sagen, vor mir erhebt. Erhaben sieht er aus, der höchste Berg Japans, wie er dort in der Sonne liegt. Und so friedlich. Wer würde unter seiner schneebedeckten Kuppe schon einen aktiven Vulkan vermuten oder darauf kommen, dass sich an seinen Hängen jedes Jahr zahlreiche Menschen das Leben nehmen? Das Wäldchen Aokigahara am Fuße des Berges ist in den letzten Jahrzehnten zum Zielort für Selbstmörder geworden. Inspiriert durch den Roman Der Wellenturm , den der japanische Autor Matsumoto Seicho in den Sechzigerjahren schrieb, scheiden sie in dem dichten Wald aus dem Leben, während Touristengruppen die Spitze des Dreitausenders erklimmen, um den Sonnenaufgang zu sehen. Schilder mit der Nummer einer Telefonseelsorge, die überall aufgestellt wurden, sollen den Lebensmüden einen letzten Ausweg bieten. Sehr umsichtig, könnte man meinen, aber nach ein paar Tagen in Japan weiß ich, dass eine solche Maßnahme vor allem dem Umstand zu verdanken ist, dass der Japaner alles aus- und beschildert, was nur geht.
    Ich fixiere den Mount Fuji so lange, bis er samt seiner Rätselhaftigkeit aus meinem Blickfeld verschwunden ist, dankbar für all das Neue, Eigen- und Andersartige, das ich bisher hier erleben und entdecken durfte. Da ich nur eine kleine Tasche dabei habe, reicht es, erst heute Abend in mein Hotel zurückzukehren; und so fahre ich direkt nach Akihabara. Hier ist der sogenannte Electronic district , in dem sich die jungen Computerfreaks zwischen blinkenden Neonschildern mit allem eindecken, was an technischen Innovationen auf dem Markt erhältlich ist. Es ist voll in der U-Bahn, obwohl ich wieder einmal niemanden dabei erwischen kann, wie er mich anstarrt, bin ich sicher, beobachtet zu werden. Die eine Hälfte der Japaner schläft schon, seit ich den Waggon betreten habe, die andere senkt die Augenlider und lässt den Kopf auf die Brust fallen, sobald ich in ihre Richtung schaue. Während wir in Deutschland relativ ungeniert starren, löst ein direkter Augenkontakt in Japan kollektives Unbehagen aus. Nach drei Stationen habe ich nur durch direkte Blicke einen ganzen U-Bahn-Wagen in Tiefschlaf versetzt. Selbst die stehenden Fahrgäste scheinen ein immenses Schlafpensum nachholen zu müssen, während sie, an den Halteschlaufen hängend, selig schlummern, oder es zumindest vortäuschen.
    In meiner Nähe steht eine junge Japanerin, ein Schulmädchen in einer gebügelten und gestärkten Uniform. Zu dem dunkelblauen Blazer trägt sie einen Rock, der so knapp ausfällt, dass er nicht der Rede wert ist. Neben ihr lehnen drei Männer mit Aktentaschen an der Wand. Während zwei der Salarymen , wie die Businessmänner hier heißen, dem Schulmädchen den Rücken zugekehrt haben, steht der Dritte ihr in merkwürdig verrenkter Pose halbseitig zugewandt. Zufällig bleibt mein Blick an seiner Aktentasche hängen, die er in der rechten Hand hält. Sie ist einen Spalt geöffnet und ich kann die Linse einer Kamera erkennen, die aus der Dunkelheit heraus direkt unter den Rock des Mädchens filmt. Das kann nicht sein! Ist das eine Sinnestäuschung? Ich blinzele, aber die Kamera ist immer noch da. Sieht das denn keiner? Ich schaue mich um. Die restlichen Insassen schlafen noch immer. Ich befinde mich in einem seelischen Zwiespalt. Einerseits kann man so etwas nicht durchgehen lassen. Andererseits will ich nicht unnötig auffallen, außerdem kann ich mich nicht auf Japanisch verständigen, und überhaupt fehlen mir angesichts der Situation im doppelten Sinn die Worte. Die Bahn hält und fährt wieder an. Der Aktentaschenperversling macht keinerlei Anstalten zu verschwinden, daher erhebe ich mich nun doch von meinem Sitz und baue mich in voller Größe vor ihm auf.
    »Du Lustmolch! Einem kleinen Mädchen unter den Rock zu filmen. Schäm dich!«, sage ich auf Englisch und ernte, da er sich natürlich seiner Schuld bewusst ist, immerhin einen erschrockenen Blick. Langsam drehe ich mich um.
    »Hat das denn keiner von
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