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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
Autoren: T Rammstedt
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gehofft, dass sie mehr
nach Zukunft klingt. »Das reicht doch nie und nimmer«, sage ich und halte Ihnen
die Scheine vorwurfsvoll entgegen. Sie stopfen sie zurück in Ihre Hosentasche,
wieder fallen dabei ein paar heraus, und vielleicht macht das tatsächlich
keinen Unterschied. Die Zukunft ist schließlich das kleinste unserer Probleme.
Sie lächeln müde, Ihr Schulterzucken sagt: »Kommt darauf an, wofür«, und ich
überlege noch, ob es damit recht hat, als wir die Hunde hören.
    Sagen Sie mir, wenn ich mich täusche, Herr Willis, aber Sie scheinen
tatsächlich erleichtert zu sein. Sie schließen die Augen und atmen laut durch
den Mund aus. Es fällt mir schwer, Sie hochzuzerren, und vielleicht liegt das
auch daran, dass ich ebenfalls nicht schon wieder fliehen will. Ich will hier
sitzen bleiben und mich bis zum Morgen mit Ihren Körperteilen unterhalten, und
dann würde man in Ruhe weitersehen, aber nun müssen wir sofort weitersehen, und
genau das ist so gut wie unmöglich, weil es stockfinster ist, als ich Sie durch
den Wald schleppe. Überall Äste am Kopf und Zweige im Gesicht, die Füße im Gestrüpp
und hinter uns das Knacken, das Bellen, das Lauterwerden. Ich laufe ein paarmal
um einen Baum herum, um die Hunde zu verwirren, aber Ihr genervtes Seufzen sagt
mir, dass ich mich damit vor den Hunden nur lächerlich mache, und dann hat sich
das mit dem Herumlaufen ohnehin erledigt. Die Füße sinken ein, es schmatzt,
alles voller Schilf, voller Mücken. Ich versuche, Sie wieder auf festen Boden
zu zerren, aber den scheint es nicht mehr zu geben. Sie verheddern sich in
einer Schlingpflanze, straucheln, reißen mich mit.
    Wir liegen im Morast, die Beine verdreht, Mücken in der Nase, Mücken
im Mund, im Ohr und das Bellen ganz nah, das Hecheln, und auf einmal ist der
Hund direkt vor uns und scheint davon genauso überrascht zu sein wie wir. Er
bleibt verdutzt stehen, fasst sich aber bedauerlich schnell wieder, sein Blick
springt hektisch zwischen Ihnen und mir hin und her, als müsste er tatsächlich
überlegen, wer wohl der würdigere Gegner sei. Dann hat er sich entschieden, stemmt seine Vorderpfoten
gegen Ihre Brust und bellt Ihnen übertrieben laut ins Gesicht. Da sind Zähne, da
ist Speichel, da ist schlechter Atem. »Verdammte Scheiße«, sagen Ihre
aufgerissenen Augen. »Verdammte Scheiße«, sagt Ihr angehaltener Atem.
»Verdammte Scheiße«, sage ich, auch wenn Sie das unter all dem Gebell nicht hören
können, doch Sie wissen es ja selbst.
    Ja, verdammte Scheiße, Herr Willis. Das ist es also, Herr Willis.
Das ist also das glückliche Ende. Hier im Morast zwischen Mücken und Kläffen
und ungefähr sechstausendeinhundert verdammten Euro, und natürlich kann ich
Ihnen keine Vorwürfe machen. Aber wissen Sie was, Herr Willis? Ich mache sie
Ihnen trotzdem. Ich überschütte Sie mit Vorwürfen, ich beschimpfe Sie und
verfluche Sie. Ich schlage auf Sie ein, brülle Ihnen ins Gesicht, bis der Hund
mich dankbar anschaut, weil er sich nun kurz einmal ausruhen darf. Was für eine
schwache Vorstellung Sie da abgeliefert hätten, brülle ich. Was für ein
beschissener Jammerlappen Sie seien, was für ein weinerliches Abziehbild Ihrer
selbst. Meine Fäuste prasseln auf Sie ein, und warum wehren Sie sich denn
nicht, Herr Willis? Warum schauen Sie mich so verständnisvoll an? Sie sollen
kein Verständnis für mich haben. Ich kann kein Verständnis mehr ertragen (von
meinem Verlag, von allen möglichen Sachbearbeitern, von mir selbst). Sie sollen
verdammt noch mal irgendetwas tun, damit es nicht schon vorbei ist, damit es
noch weitergehen kann, wenigstens bis zur nächsten Kreuzung. Haben Sie mich
verstanden? Ob Sie mich verstanden haben, brülle ich, aber Ihr Blick sagt nichts,
Ihre Stirn sagt nichts, Ihr Hals sagt nichts, Ihr Kinn sagt nichts, Ihre
Schultern sagen nichts, Sie schweigen von Kopf bis Fuß, und ich höre auf zu
brüllen, ich höre auf zu schlagen, ich lasse mich in den Morast sinken und
würde gern darin verschwinden, aber er bedeckt nicht einmal meine Ohren.
    Auf Wiedersehen, Herr Willis.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Die Märkte seien gerade sehr nervös, sagte mein ehemaliger
Bankberater. Er flüsterte mir das verstohlen zu, wahrscheinlich, um sie nicht
noch weiter zu beunruhigen. Für den Rest des Termins redeten wir über Balkonpflanzen,
wobei er sich immer wieder unauffällig nach allen Seiten umdrehte. Er blinzelte
oft. »Auch die Märkte haben es nicht leicht«, sagte er leise beim
Verabschieden, und
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