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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Autoren: Meik Eichert
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eine Menge Leute geben, die genau diesen Rummel suchen. Schön, wenn man die Wahl hat. Um die Mittagszeit ist hier nicht viel los. Alle Pilger, die letzte Nacht da waren, sind natürlich längst in Santiago, und die Schlafgäste für die kommende Nacht trudeln erst nachmittags ein. Ich trinke einen aromafreien Kaffee im Plastikbecher, bevor der Weg hinab führt, hinab nach Santiago de Compostela. Es hat noch nicht einmal geregnet, seit ich am Morgen gestartet bin. Besser noch, die Bewölkung wird dünner, es zeigen sich erste blaue Stellen. Es sieht gut aus!
     
    Die erste Gänsehaut bekomme ich beim „Abstieg“. Ungeduld mischt sich unter die Vorfreude. Der erste Schritt hinein in die Stadt ist jedoch ein völlig unspektakulärer. Ein simples Ortsschild an der Hauptstraße markiert die Stadtgrenze. Es dauert eine ganze Weile, bis ich die Altstadt betrete. Vorher müssen schmucklose Wohnkomplexe und all die anderen Einrichtungen einer stinknormalen Großstadt durchquert werden. Das ist in Santiago nicht schöner als anderswo. Die Altstadt empfängt mich mit einem bunten Mix aus Touristen und Pilgern, ein Souvenirgeschäft reiht sich an das andere. Ich habe aber nur Augen für Pfeil und/oder Muschelsymbol. Im Geflecht der vielen Gassen lande ich zwei Mal auf Nebenplätzen, dort wo ich gar nicht hin möchte. Ich will nur auf den einen Platz, den Praza do Obradoiro. Im 3. Anlauf schaffe ich es, eine letzte kleine Ecke und der riesige Plaza breitet sich vor mir aus. Ich bin da! Ich habe es geschafft!! Mich durchfährt ein kräftiger Schauer, abwechselnd heiß und kalt. Ein imposantes Bild fesselt meinen Blick. Von allen Seiten umrahmen grandiose Bauwerke den Plaza, es
    sind jedoch erst die beiden barocken Tü rme der Kathedrale, die ihm den monumentalen Charakter verleihen. Ich bin tatsächlich überwältigt! Der Drehbuchautor lässt sogar die Sonne scheinen. Es ist perfekt inszeniert! Gegenüber der Kathedrale suche ich mir einen Pfeiler. Dort lasse ich mich auf den Boden sinken und bleibe mindestens eine halbe Stunde sitzen. Was mir durch den Kopf geht, lässt sich nicht beschreiben. Es ist ein völliges Durcheinander verschiedener Glücksgefühle. Mit Durcheinander im Kopf bin ich in Köln gestartet und mit Durcheinander im Kopf komme ich in Santiago an. Alles wie gehabt, könnte man sagen. Ist natürlich nicht so. Alles ist anders. Ungläubig schüttele ich immer wieder meinen Kopf, ich werde einige Zeit brauchen, das alles zu verarbeiten. Ich wusste, ich kann es schaffen, nun habe ich es geschafft. Ein grandioses, erhebendes Gefühl! Mehr an Worten fällt mir nicht ein, diese besonderen Momente zu umschreiben. Sie werden sich einbrennen in mein Gedächtnis, wahrscheinlich wird keine Demenzkrankheit in der Lage sein, sie zu zersetzen. Mein Blick will nicht von der Kathedrale weichen – und dem blauen Himmel über ihr. Ich weiß, bei wem ich mich zu bedanken habe… .
     
    Tränen fließen keine mehr, die sind in Ponferrada geblieben. Trotz aller Emotionen bin ich sehr aufgeräumt. Wäre er nicht in China, ich könnte denken, ich befinde mich auf dem Platz des himmlischen Friedens (Der in China trägt den Namen sowieso zu
    unrecht, dieser Name dort ist purer Zynismus!). Ganz nebenbei nehme ich vor mir die Szenen ausgelassener Freude wahr, die jeder auf seine Art auslebt. Eine Gruppe spanischer Schülerinnen und Schüler will gar nicht aufhören, im Kreis zu tanzen. Ich gehe nicht gleich in die Kathedrale. Das mache ich später, wenn ich geduscht und umgezogen bin. Erst suche ich das Pilgerbüro auf. Dort bekomme ich unfeierlich meine Pilgerurkunde überreicht. Das Büro ähnelt einer Amtsstube, das Personal ist
    auf Massenabfertigung der Pilger eingestellt. In de n frühen Nachmittagsstunden ist jedoch kaum etwas los. Nur eine Person ist noch vor mir – Ela! Ist ja irgendwie klar, dass wir uns hier treffen. Sie wartet auf mich. Anschließend suchen wir uns gemeinsam ein Hostal. Dabei sehe ich Werner, den Radpilger aus Mannheim. Lange ist’s her, als wir uns bei dem alten Monsieur Denamps erstmals getroffen haben. Unser Wiedersehen fällt mit einem kurzen ‚Hallo’ und ein paar belanglosen Sätzen eher nüchtern aus. Irgendwie auch angemessen.
     
    Unser Hostal bietet den Standard, der dem besonderen Anlass gerecht wird. Schön renovierte Zimmer, mitten im Zentrum, nur 2 Fußminuten von der Kathedrale entfernt. 1A! Ela und ich entscheiden uns für zwei Einzelzimmer, wir mögen beide jetzt Privatsphäre. Der Rest
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