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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt
Autoren: Dieter Noll
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Unteroffizier, kommt Verstärkung, stimmt das?« – »Jawohl«, sagte Wolzow, »auch schwere Waffen!« – »Herr Unteroffizier! Heut nacht sollen im Osten neue Waffen eingesetzt worden sein … der Russe in vollem Rückzug …« – »Sobald die offizielle Nachricht eintrifft, laß ich’s bekanntgeben«, sagte Wolzow.
    Am östlichen Ende der Stadt führte die Hauptstraße vom Markt durch die Villen hinab zur Chaussee. Vetter notierte Wolzows Anordnungen. »Hier links und rechts eine Pak in Stellung bringen. Die dritte weiter hinten in die Villengärten.« Winkler blieb im Graben. Sie liefen in die Stadt zurück, die Hauptstraße entlang. »Drei Keller mit Hinterausgang zu Bunkern herrichten … Panzerfäuste hinbringen! Drei Panzerjagdkommandos bilden. Ein Zug als Reserve in die Stadt.« Vom Marktplatz führte ein Gäßchen zum südlichen Stadtrand, wo in der langen Reihe der Villen der Gefechtsstand lag.
    Dort klingelte das Telefon. Holt nahm den Hörer ab. Eine rauhe Stimme meldete, die Selbstfahrlafetten seien von Greifensleben nach Bucheck gelangt. »Läßt sich alles gut an«, sagte Wolzow. Er studierte wieder die Karte. Mit gespreizten Beinen am Tisch, nach vorn geneigt, die Arme seitwärts auf die Platte gestützt, so stocherte er mit dem Zirkel herum, maß Entfernungen, rechnete, leise murmelnd.
    Holt erinnerte sich unvermittelt, wie Wolzow bei der Flak die Lage erklärt, wie er in der Kaserne am Sandkasten gespielt hatte … Und er sah ihn heute nicht anders als damals über die Karte gebeugt und hörte ihn sagen: »Überlegene Taktik … bessere Stellung … Aufmarsch … Überraschungsmoment …«
    Wohin führt das? dachte Holt …
    Wie lange noch …?
     
    Als es Mittag wurde, langten die drei Selbstfahrlafetten in Gerstedt an. Vetter meldete die Ausführung aller Befehle. Noch einmal besichtigte Wolzow die dünn besetzte Linie, die Bunker in den Ruinen … Dann saßen sie im Gefechtsstand, wo Wehnert noch immer röchelnd im Schlaf lag.
    Das Telefon schrillte. Holt nahm den Hörer auf, es war eine Reflexbewegung. Unteroffizier Boek redete aufgelöst und in panischer Furcht von Panzern … Hunderten von Panzern. »Sie halten auf der Höhe von Greifensleben«, schrie Holt. Wolzow sagte: »Die fahren vorbei!« Er schickte Vetter zu den Selbstfahrlafetten: »Wenn sie zu uns hochkommen sollten, werden die ersten in die Stadt hineingelassen!«
    Holt dachte: Panzer. Hunderte von Panzern! Er hörte noch Boeks bebende Stimme, aber Wolzow stand wieder an der Karte und hielt Vorträge in den leeren Keller hinein: »Ich glaube kaum, daß sie uns hier mit starken Panzerkräften angreifen … im Süden bereits bis in den Raum Zwickau–Chemnitz … erhebt sich die Frage …«
    Seit Tagen war Holt wie gelähmt, er befand sich in einem Zustand der Apathie, und sein Hirn vermochte die Eindrücke der Umwelt nur oberflächlich zu verarbeiten. Aber nun war es, als erwache er, als komme er zu sich. War es Wolzows Stimme, die rauh und schneidend an sein Ohr drang?
    Wolzow redete und redete: »… werde die Amerikaner schlagen … nach allen Regeln der Kriegskunst.«
    »Wolzow!« schrie Holt und zitterte plötzlich vor Erregung. »Jeden Augenblick können die Panzer …« – »Panzer? Das dauert noch! Also, ich kenn die amerikanische Taktik. Ich werde sie schlagen!« Ein Melder riß die Tür auf und starrte entgeistert auf den schlafenden Leutnant. Dann schrie er: »Panzer! Massen von Panzern!« Wolzow langte nach der Maschinenpistole und packte Holt am Arm. »Raus!« Er schob ihn aus dem Keller.
     
    Holt lag im Graben neben Wolzow, nahe der Landstraße. Auf der Chaussee im Tal klirrten Panzer vorbei. Die Kompanie verkroch sich tiefer im Graben. Wolzow sah auf Holt. »Was hab ich gesagt? Sie fahren vorbei!« Er zählte. Bei achtzig hörte er auf zu zählen. Mindestens noch einmal soviel rollten vorbei.
    Dann verstummte langsam der Motorenlärm. Ein Melder kroch durchs Gebüsch und stieg in den Graben. Vetters Handschrift: »In Greifensleben motorisierte Infanterie. Boek Leitungdurchschnitten und kapituliert.« Wolzow las. Er zischte etwas Unverständliches. Eine Viertelstunde später klirrten wieder Panzerketten heran. Zehn Shermans rollten bis zur Höhe des Fleckens und bogen auf die Landstraße ab. Dort hielten sie lange Zeit. Unterdessen fuhr eine lange Kette von Wagen, mit Infanterie besetzt, auf der Chaussee vorbei nach Norden, Zugmaschinen mit Geschützen, und immer wieder motorisierte Infanterie. Das letzte Dutzend
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