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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden
Autoren: Monika Buttler
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Danzik machte die Tür auf und ließ die beiden dunkel gekleideten Herren herein. Draußen war ein langer schwarzer Wagen mit grau verhängten Fenstern zu sehen, das Heck-Fenster wurde durch ein Kreuz zerteilt.
    Vater und Sohn schauten nicht hin, als die Tote in den samtbezogenen Sarg gelegt wurde. Ihre Blicke folgten nur dem Sarg, Thomas Holthusen ging langsam bis zum Auto hinterher, sein Vater blieb mit den Kommissaren auf dem Treppenabsatz stehen. »Wir melden uns bei Ihnen, wenn wir die Obduktionsergebnisse haben.« Danzik hob grüßend die Hand. »Ja, tschüs dann, äh, auf Wiedersehen«, sagte Tügel und folgte seinem Chef durch die eiserne Pforte auf die Straße.

4
    In seiner großen Altbau-Küche legte Werner Danzik seine Einkäufe auf den Tisch: Tomaten, Basilikum, Penne, Zucchini, Schalotten und was sonst noch alles zu einem italienischen Gericht gehört. Er hatte das Radio angestellt, man spielte ›La Paloma‹, und er sang laut, wenn auch nicht ganz textsicher mit. Es war Freitag, am Abend würde Laura kommen! Sie hatte es zwar lieber, wenn er zu ihr in die Feldbrunnenstraße kam, aber er hatte sie überzeugt, dass das nicht ganz gerecht war. Erstens, fand er, war seine Wohnung genauso schön, und zweitens konnten sie das Zusammenleben doch schon mal üben, schließlich war sein Fünf-Zimmer-Domizil das größere, und eines Tages würde sie dann ganz zu ihm … »Du legst vielleicht ein Tempo vor.« Laura hatte gelächelt, durchaus nicht abwehrend, in ihrem Lächeln war Zärtlichkeit gewesen. »Warum auch nicht? Wir machen jetzt eine Generalprobe von mindestens einer Woche«, hatte er geantwortet. »Weißt du, dass Generalproben meistens misslingen?«
    »Du bist ja wohl nicht abergläubisch. Eine Frau, die medizinische Sachbücher schreibt.«
    »Nein, natürlich nicht«, hatte Laura gesagt.
    Er drehte das Radio lauter. »Bei mir biste scheen …« Nicht schlecht, dieser Oldie-Sender. Nicht ganz seine Zeit, aber besser als diese Techno-Hämmer. Schade, dass er kein Instrument spielte. In den Sechzigern, als seine Eltern im Aufbau waren, hatten sie dafür kein Geld ausgegeben. Dabei war er musikalisch. Danzik sang wieder laut mit. Was machte er eigentlich, fragte er sich mal wieder selbstkritisch, wenn er nicht gerade Mördern hinterherlief? Wobei »laufen« schon wieder übertrieben war, er löste seine Fälle schließlich mit dem Kopf. Dumme Ausrede, dachte er, das tut doch jeder, er sollte sich wirklich nicht länger vor dem Dienstsport drücken. Seine Ex-Frau hatte schon Recht, er war ein couch-potato. Diesen Drang, andauernd auszugehen, hatte Laura im Gegensatz zu Ines zum Glück nicht.
    Danzik reckte sich. Schlank war er immerhin, ein schlanker Genießer, auch als Hobbykoch musste Mann nicht außer Form geraten. Laura würde also kommen, für eine ganze Woche, mit einem entsprechend großen Koffer in der Hand. Und sie würden nicht gestört werden. Die nächste Woche hatte sein Kollege, Hauptkommissar Manfred Buchmann, Dienst. Aber natürlich musste er trotz allem erreichbar bleiben …
    Werner Danzik fing an, das Gemüse zu putzen, als das Telefon klingelte. Das analoge Telefon. War das schon wieder – ja, sie war es. Seine Mutter. »Danzik.«
    »Du bist also doch da. Ich habe heute den ganzen Tag auf deinen Anruf gewartet. Aber nein, der Herr Sohn meldet sich nicht. Findest du es richtig, dass du dich überhaupt nicht um deine alte Mutter kümmerst? Andere Söhne –«
    Werner Danzik hielt den Hörer vom Ohr, um die bellend knarzige Stimme zu dämpfen. Etwas kochte in ihm hoch, das er aber sofort niederzwang. Er hatte sich doch geschworen, niemals seine sachlich gepanzerte Tonart aufzugeben. Ihm kam ein skurriler Gedanke, der aber an seiner Mutter vorbeigehen würde wie eine fremde Erscheinung. »Ich denke, unter erwachsenen Menschen ist Telefonieren eine Sache auf Gegenseitigkeit«, sagte er kühl. »Im Übrigen habe ich dich seit der Beerdigung jeden Tag angerufen.«
    »Heute aber nicht!«, wütete es aus dem Hörer. »Oder hättest du heute noch angerufen?«
    »Jaaa – hätte ich!«
    »Komm du erst mal in mein Alter, dann wirst du noch sehen, wie es ist, wenn man so allein da sitzt.«
    »Du musst dich eben erst in das neue Leben einfinden. Irgendwann wirst du Lust auf deine Hobbys haben, und dann wird es dir besser gehen.«
    Hobbys – was redete er denn da. Seine Mutter hatte doch gar keine. Ausgenommen, Klatschjournale lesen und Kreuzworträtsel auf dem Niveau »Lebensbund mit drei
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