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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
Autoren: Olaf Kraemer
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Ab jetzt durften sie keine Sekunde verpassen.

TEIL [01]
    | 2101 |
    „So fühlt sich also der Tod an“, dachte er.
    Die Kälte des Wassers begann seine Muskeln zu lähmen. Seine Finger gehorchten ihm nicht mehr. Waren nicht mehr bereit, ihn zu halten, zu retten. Zehn fette, eigensinnige Würmer an den Enden seiner Arme. Seine Lungen brannten. Forderten Sauerstoff. Wollten explodieren. Aber Linus konnte nicht atmen. Er war unter Wasser. Ohne Orientierung taumelte er in einem gewaltigen Strom von Abwässern durch die Kanalisation. Wo war oben? Wo unten? Er presste die Lippen aufeinander. Unterdrückte den Würgereiz, den die Kloake erzeugt hatte. Der Gestank hatte sich längst als Geschmack auf seine Zunge gelegt und erreichte jetzt auch seinen Rachen. Die wilde Strömung schleuderte ihn gegen einen Mauervorsprung. Druck baute sich in seinem Schädel auf. Unfassbarer Schmerz. Als würde seine Schädeldecke jeden Moment gesprengt. Seine Arme ruderten wild und ziellos umher. Längst war das Seil, das ihn wie eine Nabelschnur mit Edda und Simon verbunden hatte, gekappt. Linus hatte keine Kraft mehr.
    „Lass es geschehen ...“, drang es von irgendwo in seinen Kopf. Als wären es die süßen Stimmen der Sirenen, die ihn in das Reich der Schatten locken wollten. „Lass es einfach geschehen ...“
    Linus spürte, wie sich sein Körper darauf vorbereitete, dem Locken zu folgen. „Gib auf ... Lass los und der Schmerz wird vorbei sein ... Lass endlich geschehen, was geschehen soll ...“
    Die Muskeln, die seine Kiefer geschlossen hielten, begannen sich zu entspannen. Ein einziger tiefer Atemzug nur und alles wäre gut. Kein Schmerz, keine Angst. Sich öffnen. Endlich ankommen. Endlich Ruhe.
    „Linus!“
    Eddas Stimme vertrieb die Sirenen. „Linus!“
    Für einen kurzen Moment war sein Kopf über Wasser. Linus riss den Mund auf, saugte Luft ein. Die Lungen fraßen sich fast durch seinen Brustkorb. Er japste. Sein Körper zwang den lebenswichtigen Sauerstoff durch Mund und Nase. Jetzt hörte Linus wieder. Simons Stimme.
    „Linus! Verdammt! Wo steckst du?“
    Linus nahm die Sorge wahr, die in Simons Fluchen verborgen war. Glücklich machte ihn das. Er schaffte es, den Kopf über Wasser zu halten.
    „Wir werden nicht sterben. Das hast du versprochen, Linus!“ Eddas Stimme. Nicht mehr nur in seinem Kopf.
    „Hier!“, rief Linus und spuckte gleichzeitig das giftige Wasser aus. Dann sah er seine Freunde. Sie klammerten sich an das Sperrgitter, das sie vor Kurzem noch auf ihrer heimlichen Mission zur Befreiung von Marie passiert hatten. Linus trieb auf das Gitter zu. Krachend schlug er dagegen. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Edda hielt ihn. Und Simon.
    Sie waren wieder zusammen. Edda lachte, weinte.
    „Und jetzt?“
    Simon und Edda sahen Linus an. Er wusste, dass die beiden von ihm eine Lösung erwarteten. Er erwartete sie ja selbst von sich. Aber was sollte er tun? Das eiskalte Dreckwasser presste sie gegen das Gitter. Staute sich vor ihren Körpern. Stieg immer weiter. In wenigen Minuten würde es ihre Münder, ihre Nasen bedecken. Es gab kein Entkommen mehr. Voller Angst wartete Linus darauf, dass die Sirenen in seinem Kopf wieder ihre lockenden Stimmen erheben würden.
    | 2102 |
    Alles hatten sie akribisch geplant, Edda und Linus. Den Weg durch die Unterwelt, die Befreiung von Marie, den Rückzug. Von der Waffe in Simons Tasche allerdings wussten die beiden nichts.
    Während ihrer Mission, wie Edda und Linus das Unterfangen nannten, umschloss Simons Hand immer wieder die alte Parabellum Luger. Es fühlte sich jedes Mal gut an. Die Pistole war geladen. Sechs Schuss. Scharfe Munition. Simon hatte keine Ahnung, ob es nötig werden würde zu schießen. Er wusste auch nicht, ob er tatsächlich abdrücken würde. Doch dieser Plan war so wahnwitzig, dass er sich nicht ohne die Waffe hatte auf den Weg machen wollen. An der Waffe konnte er sich festhalten. Bei allen Bedenken gab sie ihm ein Gefühl der Sicherheit und der Stärke. Irgendwie war ihm klar, dass es zu Komplikationen und Gefahren kommen würde. Das konnte er sich an seinen neun Fingern abzählen. Drei Teenager auf dem Weg, um es mit einem der undurchsichtigsten internationalen Konzerne aufzunehmen. Wie sollte das gut gehen? Simon hätte gern noch länger überlegt, ob es nicht doch einen besseren, einen weniger gefährlichen Weg gegeben hätte, Eddas Großmutter aus den Fängen von GENE-SYS zu befreien. Aber vielleicht hatten Edda und Linus ja recht:
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