Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
Autoren: Olaf Kraemer
Vom Netzwerk:
|
    „ Rückzug “ ? Woher kam dieser Gedanke? Linus ärgerte sich, dass sein Hirn ihm offenbar nahelegte aufzugeben. Oder war es Edda? Linus drehte sich zu ihr um. Kurz trafen sich ihre Blicke. „Kannst du nicht mehr?“, dachte er.
    „Wenn es einfach wär, wärs nix für uns“, sagte Edda, als hätte sie seine Gedanken gehört. „Weiter!“
    Wie sie sich verändert hatte in so kurzer Zeit. Eine Kriegerin war sie geworden. Ganz nach seinem Geschmack. Stark, mutig. Wäre er nur nicht in sie verliebt. „ Rückzug “ war da plötzlich wieder als Gedanke in seinem Kopf. Er schüttelte sich, als könnte er so die Warnungen loswerden, aber mit jedem Schritt spürte er die stärker werdende Strömung. Längst hatte das Wasser Brusthöhe erreicht und alle drei hatten das Gefühl, dass ihnen der Druck des Wassers und der modrige Gestank komplett die Luft zu nehmen drohten. Noch wollte es keiner zugeben, doch alle spürten, dass es langsam klüger war aufzugeben. Es konnte Marie nichts nutzen, wenn sie hier alle ersoffen. Sie konnten es noch einmal versuchen, wenn sich das Wetter beruhigt hatte. Aber da war sie plötzlich – die Biegung, die der Tunnel machte, kurz bevor er sich wieder
weitete und ein erhöhter Fußweg entlang des Kanals bis unter den Teufelsberg führte.
    „Noch zweihundert Meter. Kommt schon!“, spornte Linus die beiden anderen an. Er setzte sich jetzt wieder an die Spitze des kleinen Trupps. Seine Taschenlampe leuchtete nach vorne und der Schein verlor sich im Schwarz. An der Wasseroberfläche aber erfasste das Licht den gelblichen Schaum, der sich bildete. Als würde dort gleich ein Ungeheuer auftauchen. Linus war schnell klar, dass das kein Ding aus irgendeinem Sumpf oder Kanal war. Das hier war der Punkt, wo die Abwässer aus Spandau in den Kanal mündeten. So aufgewühlt wie es da vorne aussah, würde das Wasser in wenigen Sekunden so weit steigen, dass sie schwimmen mussten, um nicht überspült zu werden.
    „Die Westen!“, schrie Linus. „Schnell!“ Die drei griffen zu ihren Rucksäcken und zerrten Schwimmwesten hervor. Linus hatte sie auf den Ausflugsschiffen, die über die Spree schipperten, organisiert. Die drei stemmten sich gegen den immer stärkeren Druck des Wassers.
    „Ich schaff es nicht! Scheiße!“, fluchte Edda. Sie hatte sich mit dem Rucksack und der Schwimmweste verheddert.
    „Zur Wand!“ Simon hatte dort Eisenringe entdeckt, die ins Mauerwerk eingelassen waren. Mit letzter Kraft erreichten sie die Ringe und klammerten sich daran fest. Die beiden Jungs halfen Edda die Schwimmweste anzulegen. Zum Festzurren blieb keine Zeit. Wie ein Tsunami rollte eine Welle heran, die bis kurz unter die Decke des Tunnels reichte. Irgendwo hatte man offenbar eine Schleuse geöffnet, um der Wassermassen Herr zu werden. Die Finger der drei fassten die Eisen umso fester. Dann spürte Simon den Schmerz in seiner verletzten Hand. Wie er über den Arm hinauf in die Schulter kroch. In seinen Kopf. Er versuchte, das qualvolle Toben in seinem Hirn zu beherrschen. Dann aber ging es nicht mehr. Einer nach dem anderen lösten sich die vier Finger seiner Hand von dem kalten Eisen. Und dann, mit einem heftigen Ruck, wurde Simon von dem Wasser mitgerissen. Das Seil, das sie verband, straffte sich, zog, riss an Edda. Sich selbst und Simon dazu konnte sie nicht mehr halten. Auch Edda musste fassungslos zusehen, wie sich ihre Finger lösten. Im gleichen Moment wurde Linus fortgespült. Verbunden mit dem Seil trieben sie nun mit der Strömung die gesamte Strecke zurück, die sie gekommen waren. Edda, Linus und Simon wurden zum Spielball der Wellen. Es hatte keinen Sinn mehr, sich zu wehren. Sie mussten sich ergeben.
    „Ich kann nicht mehr“, hörte Linus plötzlich Eddas Stimme. Ganz nah. Er wusste, dass sie nichts gesagt hatte. Simon hätte sonst reagiert. Linus versuchte nichts zu denken, nichts zu antworten. „Ich will nicht sterben“, hörte Linus.
    „Wirst du nicht“, dachte Linus. „Wir werden nicht sterben.“
    „Links halten!“, schrie Simon. Er hoffte, dass sie sich irgendwie an der Stelle, wo sie in den Kanal gestiegen waren, wieder herausziehen könnten. Dazu mussten sie aber bis dorthin gelangen, ohne unterzugehen. Die Schwimmwesten mit ihrem breiten Kragen hielten zwar das Wasser aus ihren Gesichtern, doch die Anglerhosen erwiesen sich jetzt als Falle. Sie waren längst vollgelaufen und zogen die drei unter Wasser. Simon begriff als Erster, wie fatal es war, dass es jetzt unter dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher