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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition)
Autoren: Xiaolong Qiu
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und zieht die Konsequenzen.«
    »Da magst du recht haben«, erwiderte Chen, ohne näher darauf einzugehen.
    »Gib mir wegen des Wochenendes Bescheid«, sagte Yu, bevor er das Büro verließ.
    Am Nachmittag kam Hauptwachtmeister Wei in Chens Büro.
    Er nahm auf dem Stuhl gegenüber Platz und begann seinen Bericht mit einem für diesen erfahrenen Polizisten untypischen Zögern. Laut Wei wohnten sowohl Jiang als auch Liu weiterhin im Hotel, angeblich um die Untersuchung zu den Korruptionsvorwürfen fortzuführen, sozusagen parallel zu den polizeilichen Ermittlungen, die sich mit den Umständen von Zhous Tod befassten. Das machte die Sache für Wei insofern heikel, als Jiang und Liu in der Hierarchie über ihm standen. Sie sahen in dem Hauptwachtmeister keinen gleichberechtigten Mitarbeiter, sondern einen Untergebenen, weshalb er nicht frei arbeiten konnte.
    »Liu ist zwar heute Morgen an seine Dienststelle zurückgekehrt, aber Jiang macht keine Anstalten, das Feld zu räumen. Er hat mir keine präzisen Gründe genannt, warum Zhou festgesetzt wurde. Natürlich hat die Menschenfleischsuche Probleme aufgeworfen, aber was genau hat die Disziplinarbehörde zu dem shuanggui veranlasst? Jiang sagt, er habe sich darauf konzentriert, wie die Bilder überhaupt ins Internet gelangen konnten. Genaueres hat er mir darüber aber nicht erzählt.«
    Chen wusste, worauf Wei hinauswollte. In einem Mordfall hat der Täter normalerweise ein Motiv. Rache beispielsweise. Also konnte derjenige, der Zhou im Internet bloßgestellt hatte, auch der Mörder im Hotel gewesen sein.
    Aber wer ging denn so weit, wo Zhou doch bereits festsaß?
    »Ich weiß nicht, was Jiang im Schilde führt. Zhous Tod hätte doch einfach als Selbstmord deklariert werden können. Jiang hätte uns gar nicht hinzuziehen müssen.«
    Chen hörte zu, sah aber keinen Anlass, Wei zu unterbrechen.
    »Und dieses Hotel«, fuhr Wei fort, »ist wirklich ein seltsames Haus. Zeitweilig ganz oder teilweise für den Publikumsverkehr geschlossen, wenn die Stadtregierung dort hohe Kader unterbringt. So zum Beispiel die beiden Beamten und ihr shuang-gui -Opfer. Die anderen Gäste mussten den etwas abgelegenen dritten Stock räumen, damit niemand außer den dreien dort wohnte. Sogar das Personal, das dort Zutritt hat, ist besonders geschult. Und Besucher müssen sich, wie Sie ja wissen, registrieren lassen, wenn sie das Gebäude betreten.
    Ich konnte mit einigen Angestellten sprechen, ohne dass die beiden dabei waren. Zhou wurde zuletzt um 22.20 Uhr am Vorabend gesehen, als ein Kellner ihm eine Schale Über-die-Brücke-Nudeln auf sein Zimmer brachte. Seine Aussage wird durch das Video der Sicherheitskamera im dritten Stock bestätigt. Danach ist niemand mehr auf dem Band zu sehen.«
    »Strenge Sicherheitsvorkehrungen sind für ein shuanggui nichts Außergewöhnliches. Die Partei befürchtet, dass Details über korrupte Kader an die Öffentlichkeit dringen könnten«, gab Chen zu bedenken. »Und was hat die Autopsie ergeben?«
    »In Zhous Körper wurden große Mengen eines Beruhigungsmittels gefunden. Nach Angaben seiner Familie hat er schlecht geschlafen und häufig Schlaftabletten genommen. Er könnte eine Handvoll eingeworfen haben, bevor er zu Bett ging.«
    »Ja?«
    »Aber irgendwie passt das nicht zusammen, Oberinspektor Chen. Zhou bekam die Nudeln kurz nach zehn, also müssen wir annehmen, dass er die Pillen gleich im Anschluss genommen hat, sagen wir um halb elf. Aber der Zeitpunkt des Todes wurde auf Mitternacht geschätzt, also anderthalb Stunden später. Um diese Zeit sollte er eigentlich fest geschlafen haben, falls die Tabletten wirkten.«
    »Könnte er die Tabletten nicht vor dem Essen genommen haben?«
    »Wohl kaum, denn da hatte er ja gerade den Zimmerservice bestellt. Womöglich wäre er dann eingeschlafen, bevor sein Essen gekommen wäre. Es ist also eher wahrscheinlich, dass er sie nach den Nudeln eingenommen hat.«
    »Mal angenommen, er hat sie nach den Nudeln geschluckt, dann könnte es ja auch sein, dass er trotz der Pillen nicht einschlafen konnte.«
    »Aber er wird doch nicht, nachdem er Schlaftabletten genommen hat, plötzlich aufgestanden sein und sich im Hotelzimmer nach einem Seil umgesehen haben, mit dem er sich anschließend erhängte.«
    »Nein, in der Regel findet man in Hotelzimmern keine Seile. In diesem Punkt gebe ich Ihnen recht«, sagte Chen. »Aber welches andere mögliche Szenario fällt Ihnen denn ein?«
    »Nach Aussage des Hotelpersonals wirkte Zhou
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