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9783944842165

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Titel: 9783944842165
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über sie lachen, weil Pia anders aussah, anders sprach, als die Jugendlichen hier. Unwillkürlich griff sie nach ihrer roten Strähne. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen? Bestimmt rannten diese Dorfdeppen mit den einfachsten Klamotten herum, waren grau wie Kirchenmäuse und schnitten sich ihre Haare selbst. »Ich will nicht in die neue Schule, ich will wieder nach Hause!«, brummelte sie.
    »Hier ist jetzt dein neues Zuhause.«
    Blöder Erwachsenenspruch, dachte Pia. »Hier ist jetzt dein neues Zuhause«, äffte sie ihre Mutter leise nach. Aber so, dass die es nicht hörte.
    »Hast du was gesagt?«
    Pia druckste herum. »Ist noch kein Zuhause. Keine Tabea, kein Lucky und überhaupt … «
    »Nun reiß dich doch mal zusammen! Wir suchen eine andere Reitschule und eine Freundin wirst du hier auch finden. Bestimmt.«
    »Bestimmt nicht!« Pia hatte gar keine Lust mehr auf die Waffeln. Sie rannte aus der Küche, schnappte ihre Jacke und ließ die Haustür zufallen. Die kalte Luft roch nach Seetang oder sonst was Fischigem. Es war nicht dieser leicht beißende Geruch, den Pia von zu Hause kannte. Hier roch die Luft salzig.
    Sie lief einfach vom Hof und hielt sich links, kämpfte dabei gegen den Wind. Er stöhnte wirklich, sie hatte es sich nicht eingebildet. Pia konnte kaum atmen, als sie sich gegen ihn anstemmte und kam nur langsam vorwärts. Sie stapfte am Deich entlang. Wie eine gerade Schnur verlief er hinter dem Haus und schien auf beiden Seiten im Himmel zu enden.
    »Das Ende der Welt. Erst Friesland, dann der Deich und dann das große Nichts. Nicht mal das Meer. Tolle Wurst!«, schimpfte Pia. Sie beobachtete die unzähligen Möwen, die sich vom Wind treiben ließen und es mit ihren grellen Stimmen sogar schafften, hin und wieder gegen das Gebrüll des Windes anzukommen.
    »Na, die haben wenigstens Power.« Pia sah zu den Bäumen, die links und rechts der Straße standen. Sie waren kleinwüchsig und die Baumkronen zeigten alle in eine Richtung. Sie blickten schief ins Landesinnere, als würden sie der Wasserseite den Rücken zukehren.
    »Und denen da fehlt die Power, die ducken sich vor dem Wind«, sagte Pia und japste nach Luft. »Oder doch? Immerhin fallen sie nicht um.«
    Es begann zu dämmern. Pia wollte umkehren, es hatte bei dem Wind sowieso keinen Sinn, hier draußen herumzulaufen. Sie stand vor dem Nachbarhaus, das sie vorher gar nicht wahrgenommen hatte. Es war ein typischer Bauernhof aus roten Klinkern, wie man ihn hier überall finden konnte. Er stand parallel zur Straße und das kleine Wohnhaus klebte wie eine Nase an der größeren Scheune. Den hinteren Teil des Hofes begrenzte ein Stall, aus dem ein erbärmliches Wiehern drang, das Pia neugierig machte. Sie betrat den fremden Hof und hoffte, dass nirgendwo ein bissiger Hund auftauchen würde.
    Vorsichtig klopfte sie an die Stalltür. Drinnen hörte sie eine Männerstimme. Pia drückte die Klinke he­runter und betrat den Raum. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Was tat sie hier eigentlich? Einfach so auf fremden Höfen herumhuschen. Wer weiß, wer dort hinter der Tür auf sie wartete?
    »Wer da?«, hörte Pia. Für den Augenblick überlegte sie, doch lieber abzuhauen. Aber die Neugierde siegte. »Guten Tag, ich habe das Pferd gehört und dachte …«
    »Moin, erst mal. Was dachtest du?« Aus der Dunkelheit trat ein älterer, mit einer Joppe bekleideter Mann. Im Hintergrund sah Pia einen kleinen schwarzen Ponykopf, zerzaust und verwuselt. Eben so, wie Ponys in den Wintermonaten aussehen. Das Pony begann erneut zu wiehern. Es klang beinahe wie ein Schrei.
    »Guten Abend«, sagte Pia.
    Der Mann nahm seine Mütze vom Kopf und fuhr mit der anderen Hand durch sein spärliches Haar, das in der Mitte schon einen beachtlichen Kreis aufwies. »Bist nicht von hier, was?«
    Pia schüttelte den Kopf. »Was hat er?«
    »Er ist allein. Vor einer Woche ist mein anderes Pony gestorben. Er frisst kaum noch und sucht sie. Ich kann nicht mehr viel mit ihm machen, habe alte Knochen. Die Hüfte, weißt du?«
    »Ich kann Ihnen helfen«, stieß Pia hervor und hatte schon die Hand an den Nüstern des Ponys.
    »Was kannst du helfen, wer bist denn du überhaupt?«, fragte der Mann breit und Pia konnte den Dialekt heraushören. Es klang ein bisschen singend.
    »Ich wohne nebenan und ich habe schon lange ein Pflegepony … gehabt.«
    »Gehabt?«
    »Ja, in der Reitschule, da wo ich herkomme.«
    »Ach, ihr seid die aus dem Kohlenpott, oder?«, grinste der Mann. »Wir
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