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911

911

Titel: 911
Autoren: Ulf Poschardt
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Herrisch-Aggressive der Mercedes-Cabriolets und Limousinen fremd. Gleichzeitig zum Kleinwagenkonzept hatte Porsche, so der Autojournalist Wolfgang Blaube, der Reichsführung auch die Idee eines Sportwagens auf KdF-Basis nahebringen wollen, doch die hatte andere Pläne. Statt der Beglückung fleißiger Kleinfamilien werden aus den Ur-Käfern erst mal Kübelwagen für die Wehrmacht gebaut. Das Porsche-Büro profitiert von der Hochrüstung, die mit Beginn des Zweiten Weltkriegs enormen Umfang annahm. In Zuffenhausen wurden Panzer, schwimmfähige Geländewagen und auch ein Volkstraktor entwickelt. Ferdinand Porsche wurde im Reichsministerium für Rüstung und Munition zum Leiter der Panzerkommission. Zuvor hatte Porsche noch im Auftrag des Volkswagen-Werks einenRennwagen geplant und gebaut, als dessen Herz ein hochgetunter VW-Boxer mit 33 PS schlug, der in eine extrem stromlinienförmige Karosserie gepackt knapp 150 Kilometer in der Stunde schnell war. Der Typ 64, oder auch »Berlin-Rom-Wagen«, galt als der erste kompromisslose Porsche. Er hatte die Silhouette der späteren Porsches, einen Heckmotor und ein extrem niedriges Gewicht von nur 545 Kilo. Nach dem Krieg erhielt er dann auf seiner tiefsitzenden Nase auch jenen Schriftzug mit den sieben Buchstaben, der ihn vollends zu einer Art »ersten Porsche« machte.
    1943 entfernt Albert Speer als Rüstungsminister Porsche von seinem Amt als Leiter der Panzerkommission. Die Deutschen sind dabei, den Krieg zu verlieren, und die Alliierten bombardieren bevorzugt die Fabriken, in denen Panzer und Militärgerät gebaut oder entworfen werden. Das Rüstungskommando der Wehrmacht legt Porsche den Umzug nach Kärnten nahe. In Gmünd, inmitten des lieblichen Liesertals, 749 Meter hoch gelegen, werden in zugigen Hallen eines ehemaligen Sägewerks Behelfswerkstätten eingerichtet. Als der Krieg endet, übernehmen die Amerikaner das Porsche-Werk in Stuttgart, besser gesagt, was davon übriggeblieben ist, um dort ihre Lastwagen zu reparieren. In Gmünd erhält Porsche eine provisorische Erlaubnis, um die Arbeit wieder aufzunehmen und ausschließlich Ziviles zu konzipieren.
    Anfang August wird Ferdinand Porsche verhaftet und von Kärnten in den östlichen Hintertaunus gebracht. Auf Schloss Kransberg war ein Vernehmungszentrum namens »Dustbin« eingerichtet worden, in dem Kriegsverbrecher und Wissenschaftler verhört wurden. Nachdem einige Zeugen für Porsche ausgesagt hatten, wurde er im September wieder freigelassen. Wenig später verhafteten ihn die Franzosen. Die Gründe für diese Verhaftung waren vielschichtig.Louis Renault war der Kollaboration mit den Deutschen bezichtigt und seine Firma verstaatlicht worden, die Familie Peugeot versuchte – so wird spekuliert – mit Attacken auf Porsche von ihrer eigenen Zusammenarbeit mit den Nazis abzulenken. Wirklich beweisen kann man das nicht, sind doch die Akten in Frankreich für hundert Jahre gesperrt worden. Sicher ist, dass Porsche vorgeworfen wurde, Peugeot-Mitarbeiter zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht zu haben.
    Zusammen mit Sohn Ferry und Schwiegersohn Anton Piëch wird er zuerst in Baden-Baden verhört und am 3. Mai 1946 nach Paris gebracht, während Ferry nach dreimonatiger Haft entlassen wird, weil er nicht zur Geschäftsführung des VW-Werkes gehört hat. Der alte Porsche blieb in Haft, obwohl er unter heftigen Gallenkoliken litt. Die Franzosen in Gestalt eines Leutnants LeComte versuchten, die Idee des Volkswagens nach Frankreich zu importieren. Da die verstaatlichten Renault-Werke mit dem 4 CV eine Art eigenen Volkswagen entwarfen, nötigten sie Ferdinand Porsche zur Mitarbeit. Wie kooperativ Porsche dabei war, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Im Februar 1947 werden Porsche und Piëch nach Dijon in das dortige Gefängnis transferiert. Dem 71-Jährigen geht es zusehends schlechter. Als sich die politische Großwetterlage in Paris ändert und die Kommunisten aus der Regierung scheiden, verliert Peugeot die Furcht vor der Verstaatlichung und nimmt die Vorwürfe gegen Porsche zurück. Doch Porsches Traum, seinen Volkswagen in Deutschland als oberster Werkschef zu produzieren und auf den Markt zu schieben, ist ausgeträumt.
    1946 rollt in dem nun Wolfsburg getauften Produktionsort des Volkswagens der erste Käfer vom Band. Für jeden VWsollte Porsche zunächst eine Reichsmark Lizenzgebühr erhalten, wenig später waren es dann fünf Mark. Diese Einnahmequelle wurde für Porsche nicht nur eine entscheidende
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