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911

911

Titel: 911
Autoren: Ulf Poschardt
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Starthilfe auf dem Weg zur eigenen Unabhängigkeit, sondern auch eine Art heimliche Lebensversicherung, wenn der mitunter labile Markt für Sportwagen dünnere Umsätze erzeugte oder aber eine wichtige Neuentwicklung für die Serien oder den Rennsport hohe Entwicklungskosten verursachte. Bei Analyse des Umfangs jenes Porsche-Know-hows, den VW für den Bau seines Bestsellers nutzte, weiß man, dass die Lizenzgebühr eher knapp ausgefallen war. Bis in die 60er Jahre hinein beschränkten sich die Ingenieure in Wolfsburg darauf, die Vorkriegsideen von Ferdinand Porsche und seinem Team zu aktualisieren.
    Zur selben Zeit wird in Gmünd auch wieder an Autos gebastelt. Ein Schweizer Auftrag zur Entwicklung eines viersitzigen Personenwagens erhält die Typennummer 352 und sieht in seiner Urform dem 356er schon ziemlich ähnlich. Entworfen hat ihn Erwin Komenda, der seit den ersten Tagen bei Porsche gearbeitet hat und der für die Konstruktion von Karosserien zuständig war. Designer gab es damals keine. Die Form folgte der Funktion wie selbstverständlich. Die Aluminiumkarosserieteile des ersten 356ers wurden Anfang 1948 in Handarbeit über einem Holzblock in Form gehämmert. Komendas Routine und sein Formgefühl verliehen dem ersten Porsche den für die Technik passenden Ausdruck. Auch die Bescheidenheit des Karosseriebauers passte gut in das junge Unternehmen und noch besser in die Zeit. Das größenwahnsinnige, flaggenumwehte, säulenbewehrte Deutschland war untergegangen und mit ihm die Neigung zur übergroßen Geste. Die ersten Porsche-Karosserien waren stolze Demutsgesten voller Eleganz. Ferry Porsche,der in Gmünd während der Abwesenheit des Vaters zur Unternehmerfigur reifte, entwickelte ein Gefühl für die Zeit wie für die Formen, die dazu passten. In ihm schlummerte Künstlerisches. Er aquarellierte heimlich und hätte sich auch vorstellen können, Architekt zu werden.
    Beim Urmodell des 356ers war der Motor noch in der Mitte plaziert, aber mit der Serienproduktion landete das Vierzylinder-Triebwerk im Heck. Der 356er hatte etwas Schmuckloses und Nüchternes. Er verweigerte die großen Gesten. Er war flink und kompakt: eine Antithese zu den mächtigen Kompressor-Mercedes der Nazis, die dem Atelier von Arno Breker entsprungen schienen. Der Porsche 356 wollte von alldem nichts wissen. Er war der Volkswagen für die Spitze des Volkes, aber mit dem Ganzen in engem Kontakt – mit ihm untrennbar verwoben und verbunden. Aus ihrem Metall geschraubt, nur mit etwas mehr Feinheit und Akkuratesse. Es war Brancusi statt Breker. Es war ein Bruch mit dem Zeitgeist der Nazis und eine Herausforderung für den aufziehenden Zeitgeist, in dem ein Luxusgut wie ein Sportwagen im Wiederaufbau-Calvinismus eher keinen Platz zu haben schien. Der frisierte Käfermotor zeigte, dass hinter dem Brot-und-Butter-Leben mit etwas mehr Leidenschaft ganz andere Dinge möglich waren.
    Die Auftragsarbeit zur Entwicklung eines Grand-Prix-Fahrzeuges für Cisitalia verbesserte die Finanzlage von Porsche so grundlegend, dass Ferry Firmengründer Ferdinand und dessen Schwager Piëch für eine Million Franc Kaution aus dem Gefängnis holen konnte. Von der Haft gebrochen kehrte der einst so autokratische wie stolze Patriarch nach Gmünd zurück. Als er den 356er fast in Serienreife sah, hatte er daran so gut wie nichts mehr auszusetzen. Dass sein Sohn Ferry nun das Kommando bei Porsche führte, erfreuteden durch die Gefangenschaft sehr geschwächten Ferdinand. Obwohl so viel von dem ersten Porsche auf seinen Vorarbeiten beruhte, war das Fahrzeug vor allem ein Produkt nach der Vorstellung des jungen Ferry. Der hatte bei der Rückkehr des Vaters schnell gemerkt, dass dieser zur Mitarbeit nicht mehr in der Lage war. »Ich war auf mich allein gestellt«, bemerkte er knapp. Aber das hatte auch sein Gutes. Der Porsche war ganz sein Automobil. Die Aerodynamik wurde mit einfachsten Mitteln optimiert, so erinnert sich Ferdinand Piëch daran, wie ein mit Fäden beklebter Prototyp des 356ers denkbar zügig unter einer Brücke durchfahren musste und von oben von Ferdinand Porsche und dem Ingenieur Josef Mickl fotografiert wurde. Schon im Juni 1948 wird mit dem »Roadster Gmünd« der erste echte Porsche zugelassen, der wenig später in Innsbruck bei einem Autorennen demonstriert wird, 600 Kilo schwer und 130 Kilometer pro Stunde schnell. Die ersten Bestellungen folgen.
    Mit der Gründung der Bundesrepublik startet Porsche offiziell seine Produktion. Das Firmenmotto
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