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711 N. Chr. - Muslime in Europa

711 N. Chr. - Muslime in Europa

Titel: 711 N. Chr. - Muslime in Europa
Autoren: Kay Peter Jankrift
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und Juden von der arabischen Kultur geprägt – das Arabische war nicht nur für Muslime Alltagssprache. Der Personenkreis, der für Übersetzungen infrage kam, war damit größer als anderswo an den Schnittpunkten zwischen Orient und Okzident. Der Blick auf die fassbaren Auswirkungen dieser Akkulturation führt abschließend zu unserer zweiten Frage: Was wäre geschehen, wenn die Reconquista gescheitert wäre und sich auf der Iberischen Halbinsel dauerhaft eine muslimische Herrschaft etabliert hätte?

... wenn die Reconquista gescheitert wäre? – Szenario II
    Seit seiner Gründung war das Emirat von Córdoba einen Sonderweg innerhalb der islamischen Welt gegangen. Die geografische Lage unterstrich diese Eigenständigkeit ebenso wie die Ausrufung des Kalifats. Doch dynastische Herrschaften bestehen, das zeigt die Geschichte, nie ewig. Früher oder später treten Verfallserscheinungen auf, weil es keinen Nachfolger gibt oder weil der |123| neue Herrscher aus dem einen oder anderen Grund schwach ist. In der Folge übernimmt nach mehr oder weniger harten Kämpfen entweder eine andere Familie die Macht oder das Reich zersplittert, wie in diesem Fall geschehen. Irgendwann erweist sich ein Kleinherrscher dann als stärker als seine Nachbarn, und neue, größere Reiche entstehen. Beides ist auch für die Iberische Halbinsel denkbar. Weitgehend losgelöst vom Rest der islamischen Welt hätte dieses islamische Reich aller Wahrscheinlichkeit nach teilgehabt an den Geburtswehen frühneuzeitlicher Staatenbildung mit einhergehenden Kriegen. Eingebunden in das Konzert der übrigen europäischen Mächte, wäre eine zunehmende Verweltlichung die Folge gewesen. Die Glaubenskriege des 16. und 17. Jahrhunderts, als die Einheit der katholischen Kirche durch die Entstehung des Protestantismus zerbrochen war, wären nicht spurlos an Spanien vorbeigegangen. Vermutlich hätten sich zahlreiche Protestanten in Zeiten der Bedrückung einstweilen in den Schutz der benachbarten islamischen Herrschaft begeben. Immerhin bot das islamische Recht ihnen die Garantie, ihren Glauben ungehindert praktizieren zu können. Die Anwesenheit von Protestanten im Land hätte sich in der längerfristigen Entwicklung zweifelsohne auf die gesellschaftlichen Strukturen ausgewirkt. Schließlich wäre ein islamischer Staat im Südwesten Europas wohl zur Normalität geworden. Je nach Intensität des Austauschs mit benachbarten Herrschaften hätten sich weltlich orientierte Muslime dort angesiedelt. Der Islam hätte unzweifelhaft zu Europa gehört.
    Auch ein gegenteiliges Szenario wäre denkbar, in dem die Muslime der Iberischen Halbinsel sich dem Rest der islamischen Welt wieder angenähert hätten. Möglicherweise wäre früher oder später der Expansionsdrang wieder erwacht und in Kriege mit den christlichen Nachbarn gemündet. In diesem Fall hätte das christliche Europa einen Zweifrontenkrieg – mit der Iberischen Halbinsel auf der einen und dem Osmanischen Reich auf der anderen Seite – zu befürchten gehabt. Gemäß ihrem Auftrag, den Islam zu verbreiten, wären irgendwann gar die Muslime aufgebrochen, um hinter dem gewaltigen Ozean anstelle von Columbus Amerika zu entdecken.

|125| Anhang
    Zeittafel
    507
    Chlodwig schlägt die Westgoten in der Schlacht bei Vouillé. In der Folge verlegen diese ihre Hauptstadt von Toulouse nach Toledo.
     
    um 5700
    Geburt Mohammeds in Mekka.
     
    610
    Mohammed empfängt die ersten Offenbarungen
     
    622
    Mohammed siedelt mit einem Teil seiner Anhängerschaft nach Medina über. Mit der sogenannten
Hedschra
beginnt die islamische Zeitrechnung.
     
    632 Tod Mohammeds in Medina. Die Mehrheit seiner Anhängerschaft bestimmt Abu Bakr zum Nachfolger des Propheten (Kalif).
     
    636
    In der Schlacht am Yarmuk-Fluss bezwingen die Muslime das Heer des byzantinischen Kaisers Herakleios. Die Byzantiner weichen nach Norden zurück. Syrien und Palästina werden in der Folgezeit von den Anhängern Mohammeds erobert.
     
    636 (637)
    Die Araber besiegen das Heer des letzten sassanidischen Großkönigs Yazdegerd III. in der Schlacht bei Qadassiya. Die Hauptstadt Ktesiphon wird erobert. Yazdegerd flieht nach Osten in den heutigen Iran.
     
    638
    Jerusalem fällt in muslimische Hände.
     
    640–42
    Eroberung Ägyptens unter Führung des Amr ibn al-As.
     
    641
    Tod des byzantinisches Kaisers Herakleios III.
     
    642
    Bei Nehawend besiegen die Muslime das letzte Aufgebot der Sassaniden. Das sassanidische Reich bricht zusammen. In der
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