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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Autoren: Karl May
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fragte:
    „Du kommst doch einmal hin zu mir, Gevatter?“
    „Jedenfalls. Vielleicht gleich nach dem Mittagessen.“
    Weber ging. Anton erkundigte sich beim Bürgermeister, ob es hier einen leidlichen Friseur gäbe und bat ihn, den Gendarm und die zwei Stadtpolizisten kommen zu lassen. Der Kohlenbrenner wurde in einem Zimmerchen untergebracht, wo ihn niemand sehen konnte.
    Weber war recht nachdenklich geworden, während er nach Hause ging. Ein Kriminalpolizist mit einer Überraschung für seinen Neffen, das klang nicht sehr entzückend. Dennoch ließ er sich daheim nichts merken. Und als seine Frau fragte, um was es sich gehandelt habe, erklärte er, daß er von dem Rat mit einer Arbeit betraut werden solle.
    Die Zeit des Mittagsmahls kam, und der Amerikaner wurde gerufen. Er erschien in der Wohnstube und nahm mit am Tisch Platz. Die Unterhaltung war ebenso lebhaft wie bisher. Man erwartete natürlich, daß der Neffe sehr viel zu erzählen habe und auch sehr viel erfahren wolle, und so reihten sich Frage und Antworten in schneller Folge aneinander, bis es an die Tür klopfte.
    „Herein!“ sagte Weber.
    Da trat ein Handwerksbursche herein, ärmlich zwar, aber reinlich gekleidet und fragte, ob nicht vielleicht ein Wenigkeit vom Essen übrig bleiben werde.
    „Wohl kaum“, antwortete der Hausherr.
    Seine Frau sah den Burschen forschend an; er schien ihr zu gefallen, denn sie sagte:
    „Aber Mann, vielleicht essen wir doch nicht alles auf.“
    „Das wollen wir nicht erst abwarten. Wenn dieser Mann Hunger hat, so mag er sich mit hersetzen. Zureichen wird es für alle, wenn auch nichts übrig bleiben dürfte.“
    Die Frau warf ihrem Mann einen dankbaren Blick zu, und man machte für den Fremden Platz. Er setzte sich in der Weise eines höflichen, gesitteten Menschen auf seinen Stuhl und bekam vorgelegt. Der Amerikaner war ärgerlich, einen Handwerksgesellen zum Tischgenossen zu bekommen. Er machte seiner Unzufriedenheit dadurch Luft, daß er sich an ihm zu reiben versuchte. Er fragte:
    „Ist denn hierzulande das Betteln nicht verboten?“
    „Freilich wohl, lieber Herr. Aber wenn man es nicht zur Profession macht, so ist es wohl keine Schande.“
    „Es ist auf jeden Fall eine!“
    „Der Mensch will leben!“
    „Und soll arbeiten!“
    „Wenn er keine Arbeit bekommt und nicht verhungern will, so ist er gezwungen, sich an die Güte seiner Mitmenschen zu wenden. Ob sich ein Reicher bei einem Bekannten vornehm zu Gaste bittet, oder ein armer Teufel in Demut und Bescheidenheit bei einem Unbekannten, das ist ganz dasselbe. Beide sind Gäste.“
    „Ja, beide sind Gäste, der eine von ihnen aber ist ein Lump.“
    „Neffe!“ bat die Hausfrau.
    „Vielleicht ist der Reiche der Lump“, sagte der Handwerksbursche in ruhigem Ton. „Sie können recht haben.“
    „So ist's nicht gemeint. Man muß doch wenigstens wissen, mit wem man zu tun hat. Was sind Sie denn eigentlich?“
    „Tischler.“
    „Können Sie sich legitimieren?“
    „Ja.“
    „Zeigen Sie doch einmal.“
    Der Fremde zog sein Wanderbuch aus der Tasche und gab es dem Amerikaner, ohne ein Zeichen des Zorns merken zu lassen. Er hatte sich das Buch eben erst in der Herberge geholt, wo ein Tischler gesessen hatte.
    „Von drüben“, sagte der Baron. „Wann sind Sie zugereist?“
    „Heut.“
    „Etwa durch den Wald?“
    „Ja, Herr.“
    „Was gibt es da Neues?“
    „Nicht viel Gescheites. Ich wäre fast arretiert worden.“
    „Ah! Warum?“
    „Weil man mich für einen Verbrecher hielt, welchen man suchte.“
    „Wer ist das?“
    „Der Hauptmann.“
    „Der ist doch bereits gefangen?“
    „O nein. Man hat ein Opfer von ihm für ihn selber gehalten.“
    „Das müssen Sie mir erklären.“
    „Nun, er hat einen anderen vom Felsen gestürzt und mit dem Toten die Anzüge gewechselt.“
    „Das ist doch wohl nur Vermutung!“
    „Mir hat man es als Wahrheit erzählt.“
    „So ist der andere wirklich tot?“
    „Man hielt ihn für tot; aber es hat sich herausgestellt, daß Leben in ihm ist.“
    „So hat er wohl erzählt, daß er von dem Hauptmann von dem Felsen gestürzt worden ist?“
    „Nein. Er kann gar nicht sprechen. Er liegt in tiefster Bewußtlosigkeit.“
    „So ist es eben eine grundlose Behauptung. Der Verunglückte ist der Hauptmann selbst.“
    „Wohl kaum. Er ist von Leuten untersucht worden, welche den Hauptmann genau kennen und also wissen müssen, daß sie es mit einem andern zu tun haben.“
    „Dumm genug von der Polizei, daß sie sich
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