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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
Autoren: Karl May
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kannst du das behaupten?“ herrschte sie ihn an.
    „Ich weiß es, Ella. Es ist schade um die Reichtümer, welche dir von der Natur verliehen worden sind. Sie waren bestimmt, dich und andere glücklich zu machen, du aber wirst diesen Zweck verfehlen. Lebe wohl!“
    Er schritt an ihr vorüber.
    „Gustav Brandt!“ rief sie ihm nach. „Ah! Ich weiß, wo die sittlich Reine ist! Geh hinauf zum Tannenstein; dort wirst du sie jetzt mit ihrem Bräutigam finden!“
    Sie setzte ihren Weg rasch fort, innerlich voller Wut und Rachgier für die Zurückweisung, die ihr abermals von ihm geworden war.
    Er hatte ihren letzten Ruf vernommen. Er hatte eigentlich nach dem Forsthaus zu den Eltern gewollt. Jetzt aber fragte er sich:
    „Die sittlich Reine? Auf dem Tannenstein? Sollte da Alma gemeint sein? Und mit ihrem Bräutigam?“
    Das letzte Wort ging ihm wie der Schlag einer elektrischen Batterie durch den Körper. Es war ja das etwas, an dessen Möglichkeit er noch nicht gedacht hatte.
    „Alma einen Bräutigam? Herrgott, ich gehe nach dem Tannenstein!“
    Er wich vom Wege ab und eilte mitten in den Wald hinein.
    Der Tannenstein war eine mit Bäumen und Sträuchern bestandene steile Felsenhöhe, welche von den Bewohnern der Umgegend gern besucht wurde, weil von seiner Kuppe aus sich ein weiter Umblick in das Niederland eröffnete. Vor dem Auge dehnten sich da in scheinbarer Endlosigkeit die grün bewaldeten Bergkuppen wie plötzlich erstarrte Meereswogen in weite Ferne hin. Es war, als stehe man am Strand der See und blicke hinaus auf den unendlichen Ozean. Rund um den Aussichtspunkt war ein starkes Geländer angebracht, damit kein Unglück geschehe. An diesem Geländer hatte Gustav Brandt oft verwegene Turnkünste geübt, wobei Alma mancher Schrei der Angst entfahren war. Rechts führte der Weg langsam abfallend nach Schloß Hirschenau, während links ein höchst steiler Pfad zur Tiefe ging nach einer wilden, langen und schmalen Schlucht, welche die Tannenschlucht genannt wurde.
    Auf diese Schlucht schritt Brandt jetzt zu, um dann von ihr aus die beinahe senkrecht aufsteigende Höhe zu erklimmen. Der weiche Waldboden machte seine Schritte beinahe unhörbar. So kam es, daß ihm ein menschlicher Laut auffiel, der ihm sonst entgangen wäre. Er hatte ein unterdrücktes Husten gehört. Wer sein Husten unterdrückt, beabsichtigt, nicht bemerkt zu werden, hat also Heimlichkeiten vor. Das sagte sich Brandt als Polizist sogleich. Hier gab es also jemand, der verborgen bleiben wollte.
    Er schlich nach der Gegend hin, in welcher das Husten erklungen war. Da, fast wäre er mit dem Mann zusammengestoßen – er hatte um einen Strauch kriechen wollen, hinter welchem ein ihm fremder Mann saß. Der Platz war so gewählt, daß man von ihm aus einen Teil der Schlucht überblicken konnte.
    Gustav wich natürlich sofort zurück; er war nicht bemerkt worden. Indem er über den Grund der Anwesenheit dieses Mannes nachdachte, ertönte in nicht allzu großer Ferne ein halblauter, kurzer Pfiff, welcher von dem Mann erwidert wurde, und eine Minute später kam ein zweiter Mensch langsam aus der Schlucht herbeigeklettert.
    „Verdammte Langeweile!“ sagte er. „Wenn man doch nur wenigstens rauchen dürfte!“
    „Der Geruch kann uns verraten!“
    „Und nun bis zum Anbruch des Abends hier aushalten.“
    „Was ist's weiter? Ist's denn gar zu schwer? Wir führen heute um Mitternacht unsere Waren hier durch die Schlucht, und um zu erfahren, ob die Grenzer vielleicht ihr Augenmerk auf diesen Ort gerichtet haben, müssen wir ihn bewachen. Das ist keine Riesenarbeit. Übrigens ist es für lange Zeit das letzte Geschäft, welches wir machen.“
    „Und vielleicht auch das einträglichste, welches jemals unternommen worden ist.“
    „Gewiß! Wenn es nur gelingt.“
    „Warum nicht. Drei ohne Pakete, aber mit Gewehren voran, dann die Träger und dann wieder drei mit Gewehren. Es muß gelingen. Dann gibt es Ferien, weil man uns diesen Brandt auf den Hals schickt. Dieser Kerl ist ein halber Mann, soll aber den Teufel im Leib haben.“
    „Kennst du ihn?“
    „Nein, aber gehört habe ich von ihm. Er soll ein geborenes Polizeigenie sein und eine Nase besitzen, wie selten einer. Der Baron von Helfenstein hat ihn mit seiner Tochter erziehen und dann die Juristerei studieren lassen. Na, uns wird er keinen Schaden machen, da wir ja Pause haben. Übrigens hast du doch nicht vergessen, was wir ausgemacht haben von wegen –“
    Er hielt inne. Der andere nickte
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